Friesen Mathematik: Amrum = Sylt – Schickimicki

Egal wen Du fragst, gefühlt war jede und jeder irgendwie schon einmal auf Sylt. Sofort haben wir alle Bilder vor Augen, endlose Dünen, dunkelblaues Meerwasser, Meeresfrüchte bei Gosch, der Leuchtturm von Hörnum, das Kliff und der Ellenbogen – ganz oben bei List. Und natürlich die Schickeria in und um Westerland, Rantum und Kampen. Deutlich anders sieht es bei Föhr aus. Und das Bild wird noch einmal ein wenig schwammiger, wenn es um Amrum geht. Ganz davon zu schweigen, wenn es um „Amrum fotografieren“ geht.

Im Juni war ich für ein paar Tage auf Amrum, der kleinsten der drei bekannten nordfriesischen Inseln. Während Sylt mit der Zuganbindung über den Hindenburgdamm völlig einfach zu erreichen ist, werden bei Föhr und Amrum Inselgefühle geweckt, von Anfang an. Schließlich setzt man von Festland in Dagebüll via Fähre über. 60 Minuten dauert es nach Föhr, über 90 Minuten sogar nach Amrum.

Amrum oder Föhr?

Wie die Bewohner beider Inseln zu berichten wissen, sieht man in Dagebüll den Touristen schon an, wohin sie reisen. Während die Föhr-Urlauber in feiner, hellblau gemusterter Strandmode im Cabrio die Fähre erreichen, reist der Amrum-Besucher mit der Bahn an und fällt allenfalls durch Funktionskleidung von Fjällraven und Jack Wolfskin auf. Soviel zu den Klischees, die so herrlich überzogen sind, aber immer wieder genannt werden. Überhaupt sind die Tage hier ein ewiges Scharmützel zwischen den beiden Inseln. Ganz gemäß dem Motto, das Schönste an Föhr ist die Fähre nach Amrum.

Amrum fotografieren: Auf der Fähre nach Amrum.
Auf der Fähre nach Amrum.

Halb Sand, halb Rest

Zu den Facts: Nach Sylt, Föhr und Pellworm ist Amrum die viertgrößte Insel Nordfrieslands. Und immerhin die zehngrößte Insel Deutschlands. Um sich das besser vorstellen zu können, nimmt man zehn Kilometer in der Länge und im Schnitt zweieinhalb Kilometer in der Breite – und schüttet davon die Hälfte mit Sand voll, dem Kniepsand. Dieser ist dann auch schon die Attraktion von Amrum und zählt zu den breitesten Sandstränden Europas. Kein Wunder, dass ich eigentlich jeden Tag im Kniepsand unterwegs bin. Vor allem gegen Abend bin ich völlig alleine zwischen den Dünen und so begegne ich mehrere Stunden lang fast keinem anderen Menschen. Wer also Stille und Einsamkeit sucht, der findet sie auch auf Amrum.

Amrum
Mitten im Kniepsand auf Amrum.

Amrum fotografieren

Fotografisch gesehen – und das benenne ich hier so offensiv, da meine fotografischen Berichte auf diesem Blog viel viel häufiger gelesen werden – ist Amrum zurück haltend oder gar schüchtern. Aber sympathisch. Diese Insel schreit Dich nicht an, dass Du sie fotografieren sollst, obwohl sie weiß, wie hübsch sie ist. Sie nutzt nicht die aufreizenden Posen, sie schenkt Dir nicht den verführerischen Blick. Sie will fotografiert werden, wenn sie es nicht merkt. Und lieber eher selten als zu oft. Und erst wenn die Bilder im Kasten sind, dann gibt sie umwunden zu, dass da doch vielleicht ein, zwei Bilder dabei sind, die ihr gefallen. Aber eigentlich möchte sie nicht fotografiert werden, denn sie hat es einfach nicht nötig. Kein Wettbewerb zu anderen Inseln, keine Inszenierung für Instagram. Sie hat es nicht nötig. Sie ist einfach schüchtern schön.

Das Wahrzeichen von Amrum ist der Leuchtturm. Er hat natürlich einen weißen Streifen mehr als der Leuchtturm von Hörnum auf Sylt - darauf legen die Amrumer Wert.
Amrum fotografieren: Das Wahrzeichen ist der Leuchtturm. Er hat natürlich einen weißen Streifen mehr als der Leuchtturm von Hörnum auf Sylt – darauf legen die Amrumer Wert.

Und daher gibt es auch nicht diese perfekten Fotospots. Natürlich kannst Du am Meer die Strandkörbe von Amrum fotografieren. Und Du kannst die wunderschönen Sonnenuntergänge am Strand mitnehmen, schließlich liegt der Kniepsand dem Westen zu Füßen und eignet sich dafür ideal. Ebenso easy ist das Wahrzeichen der Insel zu knipsen. Den 42 Meter hohen Leuchtturm fotografierst Du einfach, in dem Du im Vordergrund noch ein paar unscharfe Dünen mit Strandhafer im Motiv platzierst. Tierliebhaber haben die längsten Brennweiten dabei und bannen auf der Wattseite die vielen seltenen Vogelarten auf die Sensoren.

Auf dem Weg in Dünen.
Auf dem Weg in Dünen.

Und dann gibt es noch den höchsten Punkt der Insel mitten in den Dünen, den 32 Meter hohen Aussichtspunkt „A Siatler“. Aber so richtige, echte Fotospots gibt es eigentlich kaum. Amrum glänzt neben der Zurückhaltung durch seine Ruhe und seine versteckte Vielfalt. Und so bin ich auch eher zum Wandern, Fahrradfahren und zum Gammeln im Strandkorb als zum Fotografieren auf die Insel gekommen. Erholung pur ist angesagt. Mein persönliches Highlight dabei: Die Luft, die Dich umarmt, die Dich festhält und die so schön gehaltvoll und so mild ist.

Endlose Weiten auf Amrum
Endlose Weiten auf Amrum.

Fast schon passend zur Insel habe ich fast nur die Fuji X100V im Einsatz. Kein Objektivwechsel, der im Sand wirklich Gift wäre. Keine schweren Objektive zum schleppen. Nein, die Kamera liegt irgendwo zwischen Badehose und Wasserflasche im ganz kleinen Gepäck. Nur für die Wattwanderung habe ich die X-T4 mit dem XF16 1.4. und dem XC 50-230 dabei. Ich bin ja so gar kein Telefotograf, aber genau dafür habe ich sie dann doch eingepackt.

Moment mal, welche Wattwanderung eigentlich?

Amrum und die Wattwanderung nach Föhr

Absolutes Highlight eines Amrum-Aufenthalts ist eine solche Wattwanderung nach Föhr. Etwa zehn Kilometer sind es, davon Sieben durch das Watt, selbstredend natürlich nur bei Ebbe und nur unter ortskundiger Führung. Eine Wanderung auf eigene Faust, das wäre nicht nur unverantwortlich. Wer sich nicht bestens auskennt, würde den Weg niemals finden. Niemals!

So sieht das aus, kurz vor Sonnenaufgang. Bei der Wattwanderung.
Amrum fotografieren: So sieht das aus, kurz vor Sonnenaufgang. Bei der Wattwanderung. (Ohne den Sensorflecken entfernt zu haben … )

Dark Blome. Ein Name, wie aus einer bewegenden nordischen Sage. Ein Mann, wie ein Wikinger. Und mit Geschichten, die groß und klein mitreißen. Dieser Dark Blome ist mein Wattführer. Mitten in der Nacht.

Okay, das Bild, das ich nun aufmache, ist nicht ganz korrekt. Ja, es ist drei Uhr morgens, als wir uns in der Fußgängerzone von Norddorf treffen, um den Weg nach Föhr zu Fuß zu gehen. Und da ist auch dieser Dark Blome, der auf Amrum als „der Inselläufer“ bekannt ist. Und er ist auch mein Wattführer, aber auch der von etwa 15 weiteren Amrum Touristen.

Nichts als das endlose Watt.
Nichts als das endlose Watt.

Wir alle haben uns für die Sonnenaufgangs-Wattwanderung angemeldet. Und wir alle trotten Dark hinterher – nämlich Richtung Inselnordspitze. Bis wir schließlich die Schuhe ausziehen und die folgenden sieben Kilometer durch das Watt wandern.

Natürlich gehört das volle Programm dazu: Den Wattwurm ausgraben, über die schärfsten Muscheln zu laufen, den Priel in der Badehose zu durchqueren, das versunkene Wrack zu bewundern. Und immer wieder den faszinierenden Geschichten von Dark Blome zuzuhören.

Am besten nicht mehr als eine Badehose - wenn Du durch den Priel musst.
Am besten ziehst Du nicht mehr als eine Badehose an – wenn Du durch den Priel musst.

Gegen fünf Uhr morgens genießen wir einen einmaligen Sonnenaufgang. Und genau in diesem Minuten schleichen sich ein paar Flamengos in die Szenerie, so wie ich sie zuletzt in Bolivien gesehen habe. Oder waren es doch nur ein paar Wattvögel? Ganz egal, die Stimmung ist einmalig. Und doch dürfen wir nicht zu lange verweilen, schließlich müssen wir rechtzeitig Föhr erreichen, bevor die Nordsee allzu schnell wieder steigt.

Flamengos im Amrumer Watt ... oder so.
Flamengos im Amrumer Watt … oder so.

Die Tour ist deutlich anstrengender als ich das erwartet habe. Aber hey, sieben Kilometer barfuß im Watt sind durchaus kräftezehrend. Zumal das Laufen auf scharfkantigen Muscheln gelernt sein will. Die Route führt von der Nordspitze von Amrum zuerst Richtung Föhr, knickt aber erneut so stark nach Norden ab, dass wir den Sylter Leuchtturm von Hörnum schon hinter uns gelassen haben. Man kann sogar die Häuser von Westerland erkennen, so nah sind wir der großen Schwester von Amrum. Erst fast am Ende der Tour ändern wir erneut die Richtung und biegen Richtung Osten nach Föhr.

Irgendwo zwischen Amrum und Sylt. Und schon fast auf Föhr.
Irgendwo zwischen Amrum und Sylt. Und schon fast auf Föhr.

Hier wartet schließlich ein Bus, der uns einmal quer durch das viel grünere, viel plattdeutschere Föhr bringt. Eigentlich sieht hier alles so aus, wie sonst auch zwischen Flensburg und Neumünster. Dark Blome erzählt noch einmal ein paar Geschichten von den beiden Inseln bis wir eben diese Fähre erreichen, die das Schönste an Föhr sein soll. Weil sie uns eben zurück nach Amrum bringt … kicher.

Und nun?

Wenn Du wie ich mit dem Bus über Föhr gefahren bist, dann weißt Du jetzt, dass Amrum vollkommen anders ist. Und wenn Du nun jemand erklären möchtest, was denn anders ist? Dann sagst Du einfach: Nimm Sylt. Denke Dir den ganzen Schickimick-Kram weg. Und streich Westerland. Das Sansibar. Und noch ein paar von den Touristen aus Winterhude.

Was übrig bleibt: Eine fantastische Natur, bestehend aus Sand und Dünen ohne Ende. Aus reizenden Friesen. Und eine Menge Watt und Wattwürmer. Das ist Amrum – perfekt für das Naturerlebnis zwischendurch.

Zum Weiterlesen:

Die Wattwanderung als Relive Track:

Die Wattwanderung auf Relive.

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