Die Minolta Autocord – mit der doppeläugigen Schönheit an der Elbe

Es ist der Tag, an dem alle Rekorde gebrochen werden. Zum ersten Mal seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wurden in Hamburg mehr als 40 Grad gemessen. Um genau zu sein, nämlich 40,1 Grad in Hamburg-Neuwiedenthal. Es auch der Tag, an dem ich mit Rainer zum Fotografieren gehe. Er hatte mir versprochen, seine Minolta Autocord mitzubringen, der legendären zweiäugigen Spiegelreflexkamera aus den 1950er Jahren. Angesichts der Temperaturen ist natürlich klar, dass wir an die Elbe gehen. Dort wo uns etwas Wind Abkühlung verhelfen könnte. Und dort, wo sich Scharen von Sonnenanbeter treffen, um diesem heißesten Tag des Jahres auch Tribut zu zollen – am Hamburger Elbstrand.

Die Hitze liegt wie ein schwerer Mantel über die Stadt. Der Asphalt reflektiert die Sonne, die Gebäude schirmen den wenigen Wind ab. Ein Szenario, das nach einem intensiven Farbfilm schreit, der die Hitze auch auf das Negativ bannen kann. Ich jedoch habe nur zwei Schwarzweissfilme eingepackt, einen Ilford Delta 100 und einen Ilford HP5+ 400.

Die Minolta Autocord

Ich wollte ja schon immer mal mit so einer doppeläugigen Kamera fotografieren. Eine Rolleiflex entspannt vor den Oberkörper halten und von oben durch den Sucher schauen. Die fotografische Welt wirklich von oben zu sehen und die damit so typische Perspektive – unschön als „Bauchperspektive“ tituliert – zu praktizieren. Ich muss da zum Beispiel an Vivian Maier und ihre Fotografie denken, die ihr halbes Leben mit einer Rolleiflex ihre Umwelt dokumentierte (Filmtipp „Finding Vivian Maier“ in der Arte Mediathek).

Mit der Minolta Autocord und einem kühlen Astra am Elbstrand – (nur) so lässt es sich am heißesten Tag in Hamburgs Geschichte aushalten!

Und nun halte ich eine Minolta Autocord in der Hand, quasi eine Kopie der viel bekannteren Rolleiflex und Rolleicord. Tatsächlich wurde die Gattung der doppeläugigen Spiegelreflexkamera in den 1920er Jahren von der Braunschweiger Firma Franke & Heidecke erfunden, die später den Namen Rollei bekommen hatte. In Japan wurde seit 1955 die Minolta Autocord gebaut, viele schätzen sie bis heute als mindestens ebenbürtig zu den großen und bekannteren Schwestern der Marken Rollei, Yashica, Mamyia oder auch Zeiss. Bis 1972 wurden mehrere Generationen der Autocord gefertigt und verkauft, vor allem in Japan. In Europa war die Konkurrenz an etablierten zweiäugigen Spiegelreflexkameras wohl einfach zu groß. Und so gilt bis heute die Autocord von Minolta als ein kleiner Geheimtipp.

Ich darf heute mit einer der älteren Modelle fotografieren, vielleicht ist es sogar die „Urmutter aller Autocord Modelle“, also der Kamera, die schon 1955 auf den Markt kam und damit sage und schreibe 67 Jahre auf dem Buckel hat. So ganz klar ist es nicht, auf jeden Fall ist es eines der früheren Autocord Modelle, noch ohne Belichtungsmesser. Man erkennt die erste Generation ganz einfach an dem CHIYOKO-Logo auf dem Deckel, auf dem „ein Emblem mit dem Schriftzug Firmennamen „Chiyoda Kogaku Seiko K.K.“ zusammengezogen wurde“ (aus „70 Jahre Minolta Kameratechnik“ von Anni Rita und Josef Scheibel, Amazon Affiliate). Erst ab 1962 wurde das „Minolta“ in den Firmennamen auch einbezogen.

Am Hamburger Elbstrand (auf Ilford HP5+ 400 mit Minolta Autocord)
Am Hamburger Elbstrand (auf Ilford HP5+ 400 mit Minolta Autocord)

Ich bin dankbar, dass mir Rainer jeden Schritt geduldig erklärt. Ich bin ja durchaus geübt im analogen Fotografieren ohne einen Belichtungsmesser, aber hier funktioniert es noch einmal anders als zum Beispiel bei meinen Lochkameras (Bericht hier) oder der Agfa Isolette (Bericht hier). Aber nach ein paar Aufnahmen habe ich es raus und schaffe es auch, ganz spontan aus der Hüfte zu schiessen.

Zwei Dinge, an die ich mich gewöhnen muss: Erstens natürlich das spiegelverkehrte Sucherbild. Es ist so hell und so schön, ich würde es direkt so als Bild schon abspeichern wollen. Aber obwohl ich weiss, dass es spiegelverkehrt ist, verwechsele ich dauernd die Richtung beim Arrangement der Motive. Und noch verwirrender, es fällt dadurch wirklich schwer, den Ausschnitt auch einigermaßen gerade zu halten. Zweitens: Die Menschen um mich herum reagieren völlig anders auf diese Kamera. Dauernd wird geschaut und gekuckt. Die Leute sind total interessiert an mir und meiner Minolta und nehmen mich gleichzeitig aber doch nicht ernst. Ich kann völlig in Ruhe mein Motiv suchen und auslösen, keine:r ist irritiert, weil sie oder er sich fotografiert fühlt. Es ist, wie wenn die Autocord alle fotografischen Ängste schwinden lässt.

Am Hamburger Elbstrand (auf Ilford HP5+ 400 mit Minolta Autocord)
Am Hamburger Elbstrand (auf Ilford HP5+ 400 mit Minolta Autocord)

Und so knipse ich über den Abend hinweg zwei Filme, bis es irgendwann zu dunkel wird. Da die offenste Blende „nur“ 3.5 ist, wird es mit dem 400er Ilford gegen Abend schon ziemlich knapp.

Von Beginn an bin ich ganz angetan von der Kamera. Weil die Leute so positiv reagieren? Weil es einmal mehr ein entschleunigendes Fotografieren ist? Oder weil es so entspannt ist, diese Kamera vor den Bauch zu halten und dank des Fokushebels am Kameraboden, direkt unter dem Aufnahmeobjektiv, alles mit einer Hand bedienen zu können (was die Autocord von anderen TLRs unterscheidet)?

Als ich wenige Tage später die Scans von Open Eyes bekomme, freue ich mich total. Fast alle Bilder sind korrekt belichtet. Ein, zwei echte „Street-Shots“ sind mir auch gelungen. Und dann ist da noch die Bildwirkung. Ich mag die Kontraste, die Unschärfen, das Korn. Und ich bilde mir ein, diese unfassbare Hitze auch in den Schwarz-Weiss Bildern wieder zu erkennen.

Ihr wisst schon, was mein nächster Gedanke war? Woher bekomme ich nun eine eigene Autocord … 😉 Um dann auch mal den ein oder anderen Farbfilm zu verschiessen. Bis dahin aber erstmal Dir, lieber Rainer, herzlichen Dank für die Leihgabe und für Deine Geduld, mir alles zu erklären. Das hat sehr viel Spaß gemacht!

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Bilder mit der Minolta Autocord

Alle Bilder sind am selben Tag entstanden – mit der Minolta Autocord. Fotografiert mit Ilford HP5+ 400 und Ilford Delta 100. Ein Spaziergang vom Fischmarkt zum Hamburger Elbstrand. Entwickelt bei Open Eyes Hamburg – alle Bilder sind „nur“ Scans mit der niedrigsten Auflösung.

7 Gedanken zu „Die Minolta Autocord – mit der doppeläugigen Schönheit an der Elbe“

  1. Lieber Florian, wow tolle Bilder und schöner Bericht! Ich finde der HP5 wirkt noch besser, oder? Nächstes Mal gehen wir mit Farbe auf Tour…

    herzlich Rainer

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  2. Nr. 4 habe ich vor vielen Jahren ganz ähnlich aufgenommen. Leider nur mit einem alten iPhone. Die Bildwirkung war nicht annähernd so schön, wie deine Version. Ich habe es irgendwann gelöscht.

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  3. Hallo Florian, ich bin begeistert von Deiner Seite hier, habe sie erst kürzlich entdeckt, was dazu geführt hat daß ich meine Leica R5 wieder rausgeholt habe seit vielen Jahren. Filme hab ich jetzt auch gekauft und bald gehts los…Die Bilder hier sind absolut top, toll finde ich die Mischung zwischen gestalteten Landschaftsaufnahmen und spontanen Fotos von Menschen, mit einer Mittelformatkamera sicher nicht ohne. Ich hab noch eine Rolleiflex SL66, einäugig, die werde ich wohl bald mal wieder aktivieren. Muss mal schauen, wo mein Belichtungsmesser ist.
    Vielen Dank für die tolle Seite!

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