Die Agfa Isolette – die Mittelformatkamera für die Hosentasche!

Mal wieder konnte ich nicht „nein“ sagen. Dieses Mal war es die Agfa Isolette II von 1952, die mir bei Khrome in Hamburg angepreist wurde. So klein, so schön und so verlockend. Eine echte Mittelformatkamera ganz ohne Elektronik – und das noch so kompakt, dass sie in die Hosentasche passt. Okay, mit ein paar Ausbeulungen, aber sie passt da rein. Das hat sie so prominenten digitalen Vertretern wie Fuji GFX, Hasselblad XD, Phase One oder Leica S voraus.

Die Isolette wurde in verschiedenen Serien zwischen 1936 und 1960 gebaut. Mein Exemplar konnte ich mithilfe der umfangreichen Beschreibungen von Udo Spickmann als Isolette II von etwa 1952 identifizieren. Sie kommt mit einem Solinar 85mm bei einer Lichtstärke von F4.5 daher. Der 120er Rollfilm wird im 6×6 Format belichtet, in der Regel kommen also 12 Aufnahmen aus einem Film. Meine ersten beiden Rollen habe ich jedoch anders verschossen, dazu später mehr.

Die Kamera ist extrem schön und fühlt sich toll an. So klein und kompakt ist sie, weil sie zusammengeklappt werden kann, sie gehört zu den Faltkameras mit dem sogenannten Balgen. Und genau dieser ist die Schwachstelle bei den Isoletten, schließlich wird das Material über die Jahre hinweg brüchig und damit auch lichtdurchlässig. Daher lohnt auch der Kauf im Fachhandel – zum Beispiel bei Khrome.

Auf einen Besuch bei Khrome

Anatol und Oliver haben erst vor wenigen Monaten das neue Geschäft für analoge Fotografie in Hamburg eröffnet. Aus ihren Nachnamen und der Nähe zu „(Kodak)chrome“ entstand dann der Name des Geschäfts, eben „Khrome“. Herausgekommen ist ein echtes Liebhaberstück, eingerichtet aus Teilen einer alten DDR-Apotheke, geschmückt um viele fotografische Devotionalien und eben den wichtigsten Dingen für analoge Fotografie: Kameras, Objektive, Filme und Papiere. „Endlich“ muss man sagen, denn in Berlin, Köln oder München gibt es schon längst Geschäfte dieser Art – bislang aber nicht in Hamburg.

Wenn Du eine Leidenschaft für Fotografie besitzt, wirst Du diesen Laden lieben, das steht fest. Auf unserem freitäglichen Fotoausflug haben wir an einem Julitag einen Stop bei Khrome gemacht. Es sollte nur ein kurzer Besuch werden, aber wir sind auf einen ganz langen Schnack geblieben. Dieser Laden umarmt Dich gerade zu mit seinem Charme, seiner Nerdigkeit und den vielen kleinen und großen Fotoschönheiten. Oliver hat uns viele Kameras gezeigt, unter anderem auch die Agfa Isolette. Und genau an dieser Stelle konnte ich mal wieder nicht „nein“ sagen. Ich wollte sie haben und ich wollte das Geschäft unterstützen.

Okay, wirklich kostspielig ist die Isolette – weder damals noch heute – nicht. Anfang der 1950er Jahre wurde das Modell Agfa Isolette II für etwa 150 DM verkauft, was einer vorsichtigen und natürlich fehleranfälligen Kaufkraft-Umrechnung heute in etwa 375 Euro entsprechen würde. Umgekehrt findest Du sie bei eBay Kleinanzeigen und in Fotogeschäften für 25-100 Euro, je nach Glück und Zustand. Und da konnte ich nun wirklich nicht nein sagen. Zu groß war die Verlockung mit dieser Kamera ein paar Filme zu schießen.

Unterwegs mit der Agfa Isolette

Mit verschiedenen Filmen ausgestattet, habe ich mich am selben Wochenende aufgemacht und zwei Filme verschossen, beide in Schwarz-Weiß. In der Agfa Isolette ist natürlich keine Automatikfunktion enthalten, das bedeutet 1.) sich für den richtigen Film in Form der ISO zu entscheiden. 2.) das Motiv definieren und die Situation belichten 3.) danach Zeit und Blende manuell einstellen. 4.) Verschluss-Spannhebel spannen und schließlich 5.) auslösen. Und dieser Prozess weiß zu dauern – je Aufnahme natürlich. Und dazwischen muss der Film natürlich auch noch vorgespult werden.

Agfa Isolette
Die Agfa Isolette im kompakten Format – mit eingeklapptem Objektiv. Der Balgen ist hinter der beschrifteten Klappe versteckt.

Aber genau das ist auch so wunderbar entschleunigend. Denn ich habe ja nur zwölf Bilder auf dem wertvollen Film. Und ich muss mir so viel mehr Mühe geben bei der Motivsuche. Schließlich dauert das mit der korrekten Einstellung. Schließlich muss ich mich am Ende auch noch mehrere Tage, wenn nicht gleich Wochen gedulden, bis ich das Ergebnis sehen kann.

Ich schlendere also durch meinen Stadtteil, nehme die Agfa Isolette mit an den Hafen, ja, ich habe sie eigentlich in diesen Tagen als „Immer-dabei-Kamera“ immer dabei. Dass das Fotografieren mit dieser Kamera weder qualitativ erhellend sein wird, noch finanziell sinnvoll ist, das ist mir vollkommen klar. Schließlich wird der Output nicht annähernd so scharf oder so detailreich sein, wie ein Pendant aus einer modernen Kamera (egal ob digital oder analog) und unterm Strich wird mich jedes Bild in Summe aus Film und Entwicklung mehrere Euro kosten. Aber es macht unheimlich viel Spaß. Es entschleunigt. Und es erholt. Also genau das, was ein Hobby mit einem auch machen sollte.

Das erste Ergebnis

Ein paar Tage später sind die ersten beiden Filme durchgeknipst und ich lasse sie entwickeln. Entschieden habe ich mich für Meinfilmlab, ein Fotolabor aus dem nordrhehin-westfälischen Hürtgenwald, betrieben von Jörg Bergs. Meinfilmlab hat sich spezialisiert auf die Entwicklung analoger Filme und dem Scannen der Negative. Ich schicke meine beiden Filme also mit einem Bestellzettel ein. Nach drei Werktagen bekomme ich eine Rechnung über etwa 35 Euro, die ich daraufhin überweise. Nach weiteren drei Werktagen stehen die Scans auch schon zum Download zur Verfügung, die Negative erhalte ich auf dem Postweg zugesendet.

Die Schaukel am Planschbecken im Hamburger Stadtpark
Die Schaukeln am „Planschbecken“ im Hamburger Stadtpark
Fomapan Profi Line Action 400 F22 1/250

In der Mail mit dem Downloadlink bekomme ich zusätzlich noch eine Einschätzung, dass meine Filme alle gut belichtet waren. Bevor ich die Bilder das erste Mal sehe, kann ich also schon einmal durchatmen. Erschien mit die Belichtung doch als das größte Problem, mein Vorgehen war also richtig.

Nun, wie bin ich bei Belichtung denn vorgegangen? Mithilfe einer Belichtungsapp fürs Smartphone habe ich die Lichtsituation jedes Motivs einmal geschätzt und diese Angaben an der Isolette verwendet. Für das iPhone nutze ich die App Lghtmtr. Vorab setze ich die ISO fest und fotografiere einmal das Motiv mit dem Button „Messung durchführen“. Dann spiele ich im mir zur Verfügung stehenden Blendenbereich der Agfa Isolette II von 4.5-22 herum und kombiniere diese mit den mir angegebenen Verschlusszeiten, wenn möglich oberhalb von 1/100 Sekunde, um Unschärfe durch Verwacklungen zu vermeiden. Und dieses Vorgehen war vollkommen richtig. Denn alle Bilder sind mehr oder weniger gut belichtet. Ich könnte in Lightroom die digitalen Scans natürlich sogar noch korrigieren und zuschneiden, darauf habe ich aber verzichtet. Schließlich möchte ich ja im Aufnahmeprozeß schon alles korrekt machen. So wie früher eben.

Eine „Corona“-Parkbank in der CIty Nord. Mit einer tollen Unschärfe am Boden im Vordergrund.
Fomapan Profi Line Action 400 F5.6 1/125

Was ich hingegen wirklich falsch gemacht hatte, das war das korrekte Vorspulen. Statt auf die genaue Zahlenangabe im Sichtfenster auf der Rückseite der Agfa Isolette zu achten, habe ich der automatischen Sperre vertraut, die mich immer nur etwa 2/3 des Filmes hat vorspulen lassen. Und so hatte ich mich schon gewundert, warum es statt 12 sogar über 15 Aufnahmen auf den Rollfilm geschafft hatten.

Im Ergebnis wird mein Fehler deutlich: Ich habe nur auf den ersten Bildern des Filmes korrekt gearbeitet bzw. korrekt vorgespult. Alle weiteren Aufnahmen sind Doppelbelichtungen, die Motive nehmen jeweils etwa zwei Drittel des Platzes ein, also eine 4,5*6 statt eine 6*6 Aufnahme.

Stand Up Paddler am Isebekkanal
Stand Up Paddler am Isebekkanal – unfreiwillige Doppelbelichtung in zwei Blickrichtungen
Ilford Delta 400 Pro F8 1/250

Was habe ich nun konkret falsch gemacht – oder wie macht man es richtig? Wichtig ist, dass der Film erst vorgespult werden sollte, direkt bevor das Bild gemacht wird. Aber unbedingt bevor ich das Objektiv aufklappe. Ansonsten schlägt der Sperrmechanismus zu. Und das garantiert an der falschen Stelle des Films. Wenn der Auslöser einmal doch gesperrt sein sollte, kann man den Verschluss am Objektivträger auslösen. Etwas umständlich, aber das geht.

Ich zahle also Lehrgeld für meine falsche Vorgehensweise. Aber das ist gar nicht schlimm, rede ich mir schnell ein. Denn erstens wird mir das nun nicht mehr passieren und zweitens sind auf diese Art und Weise reizvolle Mehrfachbelichtungen entstanden. Zum Beispiel ist es mir in einer Aufnahme gelungen, die Schönheit des Hochbahn Viaduktes vom Isemarkt mit der morbiden Architektur der City Nord zu kreuzen.

Auf einem anderen Bild sind zwei Stand Up Paddler nebeneinander zu sehen, in Wirklichkeit habe ich von einer der Fußgängerbrücken über den Isekanal einmal nach rechts und einmal nach links fotografiert und auf diese Art und Weise zwei Stand Up Paddler unfreiwillig zusammen kopiert.

Das Viadukt zwischen Hoheluftbrücke und Eppendorfer Baum „gekreuzt“ mit der City Nord
Fomapan Profi Line Action 400 F4.5 1/250

Viele dieser ersten Aufnahmen mit der Agfa Isolette entwickeln einen ganz eigenen Charme, ebenso wie auch die Corona Bank im Park der City Nord, die links und rechts von zwei anderen Aufnahmen „eingerahmt“ wird.

Nun, ich habe dazugelernt. Beim dritten Film ist mir das nun nicht mehr passiert. Und dieses Mal – nachdem ich je einen Schwarzweiss Ilford Delta 400 und einen Fomapan 400 geknipst habe – habe ich mit einem Farbfilm experimentiert, dem Kodak Portra 400.

Agfa Isolette Portra 400
Auf dem Hamburger Dom
Kodak Portra 400 F8 1/50

Die Bilder sind alle korrekt belichtet. Und sie sind alle korrekt vorgespult. Es gibt keine Überschneidungen mehr – das erstmal die gute Nachricht für mich selbst. Erstaunt bin ich über die Wiedergabe der Farben. Das sieht für mich – rein subjektiv – gar nicht nach den 1952 aus. Das riecht eher nach den 1980er Jahren. Der Portra hat abgeliefert.

Zwischenfazit

Was die Agfa Isolette von Anfang an ausgelöst hat, ist diese Lust am entschleunigten Fotografieren und die einmal mehr entflammte Leidenschaft für das Analoge, trotz aller Doppelbelichtungen. Eine Mittelformatkamera für die Hosentasche – das könnte gutes Marketing oder aber nur Clickbaiting sein – jedenfalls ist es nicht der entscheidende Faktor. Es gibt ja ausreichend anderer Faltkameras in ähnlicher Größe. Vielmehr ist die Agfa Isolette aber ein leichter und charmanter Einstieg in die voll manuell-analoge Fotografie.

In der Vergangenheit habe ich ja immer wieder mit verschiedenen Filmkameras experimentiert wie den Modellen Canon AE, Lomo LC-A, Leica III, Yashica LYNX, Praktika MTL und diversen Lochkameras (mein absoluter Liebling ist die Lerouge – hierzu hatte ich schon einmal einen Bericht geschrieben). Die Agfa Isolette war indes wie ein Katalysator für weitere Projekte. Denn inzwischen habe ich mir eine weiteres Schätzchen aus der Vergangenheit zugelegt, dazu aber in einem eigenen Beitrag mehr …

Und Du musst auf jeden Fall einmal bei Khrome reinschauen. Und Dich darauf vorbereiten, dass auch Du mit einer neuen Kamera nach Hause gehen könntest 😉

Links:

Beispielbilder Agfa Isolette mit Ilford

Ilford Delta 400 Professional, Entwicklung durch https://www.meinfilmlab.de/

Beispielbilder Agfa Isolette mit Foma

Fomapran Profi Line Action 400, Entwicklung durch https://www.meinfilmlab.de/

Beispielbilder Agfa Isolette mit Kodak Portra

Kodak Portra 400, Entwicklung durch https://www.nimmfilm.de

2 Gedanken zu „Die Agfa Isolette – die Mittelformatkamera für die Hosentasche!“

  1. Danke, lieber Florian!
    Dein Beitrag und die Ästhetik der s/w Bilder hat mich ermuntert, die Agfa Isolette II meines Großvaters zu behalten, die ich kürzlich gefunden habe, und mir mit ihr demnächst Zeit für meine Umgebung zu nehmen. Aber erst mal sehen, was auf dem Film darin drauf ist …

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