Mit dem Aufkommen der spiegellosen Kameras erleben „alte Objektive“ eine fast beispiellose Renaissance. Das so genannte „Altglas“ lässt sich mit entsprechenden Konvertern problemlos adaptieren. Dazu müssen die Kameras in der Regel einmal eingestellt werden. Bei den Fujis heißt die Option „Aufnahme ohne Objektiv“ (Einrichtung => Tasten/Rad-Einstellung => Aufn. ohne Obj.), denn im Gegensatz zu den Orignallinsen können die Vintage Objektive der Kamera nicht signalisieren, dass sie angebracht sind, mangels elektronischer Kontakte. Sobald der Kamera also vorgegaukelt wird, dass kein Objektiv „dran“ ist, kann sie auslösen.
Natürlich gibt es dann keinen Autofokus, aber mit dem Fokus Peaking funktioniert das Scharfstellen – nach etwas Übung – problemlos.
Die zwei großen Vorteile sind nun, dass Vintage Linsen erstens oftmals einen ganz eigenen Charakter offenbaren, inklusive einiger „Fehler“ wie dem Umgang mit Flares bei Gegenlicht oder sehr speziellem Bokeh. Viele Fotografen:innen schätzen diesen Retro-Charme und den damit verbunden, ganz eigenwilligen Charakter dieser Linsen. Zweitens sind diese Objektive teilweise sehr günstig zu erhalten und liefern dabei immer noch richtig gut ab.
Ein solches Exemplar ist das Pentacon 50mm/f1.8, das es in mehreren Anschlussvarianten gibt. Die Linse selbst ist ein Flohmarktfund für 15 Euro gewesen und entspricht an den APS-C Kameras wie meiner Fuji X-T10 einem 75mm Objektiv (weiterhin mit einer Blende von 1.8, in der Bildwirkung auf die Freistellung bezogen etwa f2.8). Eine entsprechende Fuji Optik gibt es nicht, würde aber sicherlich im Bereich von mindestens 500 Euro liegen – spekulativ, aber es zeigt das Potential, das in Vintage Linsen liegen kann.
Pentacon ist eine DDR Marke, deren Objektive in hoher Anzahl produziert wurden, aus diesem Grund sind noch viele Exemplare günstig zu erhalten. Mein Exemplar kommt mit dem PB Mount für die DDR Praktika Kameras. Hierfür ist ein Adapter notwendig – ich besitze mehrere von der Marke K+F, die Variante FX-FB (also Praktika auf Fuji) (Affiliate) schlägt mit knapp 30 Euro zu Buche.
Ich nutze die Linse sehr gerne, um Nahaufnahmen von Gegenständen oder zum Beispiel um Blumen zu fotografieren. Das Bokeh, die Flares und die Kantenabhebungen verleihen den Bildern aus meiner Sicht einen sehr plastischen, fast poppigen Ausdruck. Im Post Processing habe ich das in den folgenden Beispielbildern mit einer leichten Anhebung der Sättigung verbunden, um den Farben noch mehr Kraft zu verleihen.
Alle Aufnahmen sind mit Offenblende, also f1.8 an der Fuji X-T10 im Haynspark und im Ohlsdorfer Friedhof, Hamburg, im Frühjahr 2016 entstanden (mehr zu meinen Hamburger Fotospots hier).
Nun kann man bei diesem Pentacon 50mm/1.8 Objektiv keine Schärfe erwarten – schon gar nicht auf dem Niveau auf dem die aktuellen, für Digitalkameras gerechneten Objektive sich befinden. Die Ästhetik liegt eher in den Ungenauigkeiten der Optiken, die sich in den weichen, unscharfen Bereichen wiedergeben. Diese können in der Nachbearbeitung in Lightroom ausgeglichen werden, sofern dies vom Fotograf, von der Fotografin gewünscht ist. Für 15 Euro auf jeden Fall ein Experiment, das ich jedem/r Besitzer:in einer spiegellosen Kamera nur empfehlen kann.
Mich haben diese ersten Testaufnahmen so begeistert, dass ich mir weitere Pentacon Objektive zugelegt habe. Eine Erwähung verdient auf jeden Fall das Pentacon 135mm/2.8, das aufgrund seiner x Blendenlamellen genannte „Bokeh-Monster“.
Links
- YouTube Beitrag, in dem Du die oben gezeigten Bilder (und weitere) findest
- Test von Phillip Reeve
Mehr Altglas / Adapterberichte auf diesem Blog:
Hi Florian…
Ich hab mein 50er Pentacon gerade mal wieder aus der „Versenkung“ geholt, weil es ein optimale Brennweite für den Kometen NeoWise ist, und die Lichtstärke geradezu perfekt ist. Und mit Deiner Spekulation über einen möglichen Neupreis heutzutage liegst Du sicher ganz genau..! Was Deine Aussage bezüglich Schärfe angeht, muss ich widersprechen. Hochwertige Linsen, wie Zeiss Sonnare, Tessare oder die Leica‚á waren damals schon, ebenso wie heute, absolut technisch das beste, was machbar war und überzeugt heute absolut, manche Oldies stecken neuere Objektive locker in die Tasche! Allein bei Großserien, speziell die Minoltas liegen auch heute, gerade an den 24MP-Kameras auf einem super Niveau.
Aber das genialste an den alten Linsen ist der Spaß, der es macht. Und wirklich jedes Mal, wenn ich mit dem Zeiss Sonnar 180mm/f2.8 losziehe, lerne ich immer irgend jemanden kennen…weil viele sich fragen, was man da für ein Monster rumschleppt😂
Apropos f2.8… Du hast da eine Tippfehler im Text
„ den APS-C Kameras wie meiner Fuji X-T10 einem 75mm Objektiv mit einer Blende von 2.8 „
Es bleibt natürlich ein f1.8, kein f2.8
Ich wünsch Dir auch noch viel Spaß mit dem Altglas…schönes Wochenende
Dein Stefan
Hallo Stefan, hab herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Du hast natürlich vollkommen recht, die alten Linsen machen sehr viel Spaß an den neuen Kameras und die Charakteristiken sind einfach toll. Ich finde jedoch, dass man schon sieht, dass diese Gläser eben nicht für digitale Sensoren gerechnet sind. Gerade die Fuji XF Linsen sind teilweise fast schon zu scharf. Und die hochwertigen Altgläser machen hier nicht diesen „Fehler“. Den Tippfehler gleiche ich auch mal aus, ich habe natürlich die auf das Bokeh bezogene Bildwirkung gemeint. f1.8 bleibt auch an APS-C f1.8. Danke Dir und viele Grüße!