Thomas Winter – „Durchblick“ (Notizen zur Podcast Folge #8 der Fotobuch Plauder Ecke)

In dieser Folge der Plauder Ecke ist – mal wieder – alles anders. Normalerweise überraschen wir uns ja mit einem neuen Bildband, den wir uns gegenseitig vorstellen. Dieses Mal kennen wir das Buch des Anderen aber schon – und ehrlicherweise so gut, wie sonst eben niemand es kennen kann. Denn es sind unsere eigenen Projekte, die wir jüngst veröffentlicht haben.

So spricht Thomas über meinen Bildband Pollino und stellt ihn mir aus seinen Augen vor. Ich hingegen beschäftige mich mit seinem neu erschienen Zine, diese erste Ausgabe trägt den Namen „Durchblick“.

Das Soloart Zine #1: „Durchblick“

Ich nehme es vorweg: Thomas hat etwas wirklich Neues veröffentlicht. Eine Umsetzung, die es noch nicht gibt. Als Radiologe hat er natürlich regelmäßig mit Röntgengeräten zu tun. Und irgendwann kommt er auf die Idee, eine Kamera in solch ein Gerät zu legen und eine Aufnahme zu machen. Also das, was wir Laien mit Handgelenken, Knöcheln oder Zähnen verbinden. Herausgekommen sind Röntgenbildern von 30 verschiedenen Kameras von 1932 bis in die Gegenwart. Und ja, so etwas gibt es bisher nicht.

Das Heft „Durchblick“ kannst Du Dir wie ein Zine vorstellen – ja, eigentlich ist es eines. Thomas nennt es auch „No. 1“, was ein Hint auf mehrere kommende Ausgaben sein könnte. Auf 60 Seiten finden wir im Format 21+21 cm ganze 29 Schwarz-Weiß Röntgenaufnahmen, sowie zwei Farbaufnahmen, auf dem Cover und dem Rückcover befindet sich jeweils die Fujifilm X100V.

Mir macht es unheimlich viel Spaß durch das 60seitige Magazin zu blättern. Chronologisch startet „Durchblick“ im Innenbereich mit einer Mittelformatkamera von 1932. Die Afga Box 44 war so etwas wie eine Volkskamera. Für nur vier Reichsmark konnte sie sich wirklich jede:r leisten. Allerdings – und das ist ein echter Marketing Clou – musste man vier verschiedene Markstücke auftreiben, die die Prägungsbuchstaben A (2mal), G und F enthielten – also: AGFA. Und so gibt es eigentlich zu jeder der geröntgen Kameras mehrere Geschichten, die sicherlich vielen von uns einfallen.

Ein anderes Beispiel ist für mich die 1976 erschienene Canon AE-1. Ein wahrer Klassiker der Kamerageschichte und vermutlich eine der schönsten Kameras überhaupt. Auch aus diesem Grund habe ich sie mir vor ein paar Jahren zugelegt; inzwischen fotografiert meine Nichte mit dieser auch heute noch wirklich hübschen Kamera.

Thomas Winter - "Durchblick". Notizen zur Fotobuch Plauder Ecke #8
Eine Canon AE-1 (1976) im Röntgenscan: Thomas Winter – „Durchblick“.

Was wir aber bei der Canon AE-1 auch sehen ist, wie sie sich im Inneren schon deutlich von früheren analogen Modellen unterscheidet. War die Agfa Box 44 zum Beispiel im Inneren noch fast nackt, erscheint in der kleinen AE-1 doch schon viel mehr Komplexität. Es ist auch viel mehr des (weniger vorhandenen) Platzes genutzt. Natürlich ist da viel Raum für die Filmrolle und den Film selbstm das wird bei späteren, digitalen Modellen noch einmal anders aussehen.

Mir fällt aber die Lomo LC-A ins Auge. 1984 auf den Markt gebracht, löste sie in den Zweitausendern die „Lomography“-Bewegung aus, gewissermaßen einer der Wegbereiter der heutigen Analogwelle. Ich erinnere mich auch deshalb gerne an sie, weil ich mir im Studium eine Lomo LC-A zugelegt hatte und damit experimentierte. Unter anderem fotografierte ich in Hamburg eine durchfeierte Nacht um nach dem Entwicklen festzustellen, dass alle Aufnahmen jener Nacht auf einem einzigen Bild belichtet worden sind. Zufällig war dieses Bild aber so genial, dass es jahrelang die Wohnung meiner Freundin und mir schmückte, schließlich zeigte es uns in dieser Hamburger Partynacht.

Thomas Winter - "Durchblick". Notizen zur Fotobuch Plauder Ecke #8
Eine Lomo LC-A (1984) im Röntgenscan: Thomas Winter – „Durchblick“.

Die LC-A weist schon deutlich mehr Elektronik auf, zur Belichtungsmessung benötigt sie drei Knopfzellen und steuert so die Kamera. Ihr seht das ganz gut auf der Röntgenaufnahme von Thomas. Das Magazin inspiriert mich auch, dass ich mir eine solche Lomo LC-A mal wieder zulegen muss. Und dann mache ich daraus auch einen Bericht für meine Point & Shoot Serie auf diesem Blog – versprochen!

Ein weiteres – unter den vielen Highlights – ist natürlich die Leica M7. Thomas hat ihr eine Doppelseite gewidmet. Sie gehört wohl zu den schönsten Kameras überhaupt. Wenn eine analoge Kleinbildkamera auf meinem Wunschzettel steht, dann die Leica M7.

Thomas Winter - "Durchblick". Notizen zur Fotobuch Plauder Ecke #8
Eine Leica M7 (2002) im Röntgenscan: Thomas Winter – „Durchblick“.

Ich finde aber auch, dass sie von innen die „schönste“ Kamera ist. Es ist das, was Thomas mit seinen Röntgenaufnahmen zugänglich macht: Die Kamera hat Charakter, sie ist komplex und doch aufgeräumt. Und sie ist auch schon ein Kind der 21. Jahrhunderts, erschienen im Jahr 2002. Im Kleid einer klassischen Schönheit – zeitlos natürlich.

Auf Seite 39 leitet Thomas schließlich das Zeitalter der Digitalkameras ein. Auch die Nikon D70 ist ein Klassiker, aber sie sieht von innen nun schon deutlich anders aus. Die Komplexität nimmt zu, das Röntgengerät erkennt immer mehr und mehr im Inneren.

Thomas Winter - "Durchblick". Notizen zur Fotobuch Plauder Ecke #8
Eine Nikon D70 (2004) im Röntgenscan: Thomas Winter – „Durchblick“.

Natürlich möchte ich Euch nicht das ganze Heft zeigen, da sind noch ein paar Schmankerl dabei und natürlich verändern sich auch die Digitalkameras in den letzten 15-20 Jahren. Sie werden kleiner, sie verlieren den Spiegel und der Detailgrad im Inneren nimmt kontinuerlich zu. Macht Euch zum Beispiel in „Durchblick“ ein Bild von der Fuji X-T20 oder der Fuji X100F.

Ein letzter großer Sprung jedoch ist der Schritt zu den Smartphones. Es finden sich insgesamt drei verschiedene Apple iPhones in dem Magazin von Thomas. Auffällig für mich, wie viel Pkatz die Akkus einnehmen und wie quasi jeder Quadratmillimeter verbaut ist. Die Kameraeinheit hat dabei den kleinsten Anteil daran. Am Besten Ihr hört mal direkt in unsere Podcast Folge rein, wir philosophieren darüber, warum das so ist, was es bedeutet und wie die Entwicklung weitergehen könnte.

Thomas Winter - "Durchblick". Notizen zur Fotobuch Plauder Ecke #8
Zwei iPhones im Röntgenblick. Einmal das 8plus (2017), einmal das X (2017): Thomas Winter – „Durchblick“.

„Durchblick“ ist für mich ein kleines Meisterwerk, weil es erstens etwas völlig Neues ist. Es ist zweitens Kunst auf einer technischen Ebene, aber auch einer schöner Überblick über die Entwicklungen der letzten 90 Jahre. Und drittens ermöglicht es es uns Fotograf:innen in die Vergangenheit zu reisen und Erinnerungen zu schwelgen.

Ich möchte Euch „Durchblick“ sehr ans Herz legen, Ihr bekommt es für 7,50 Euro zzzgl Versand direkt auf der Website / im Shop von Thomas.


Im Podcast haben wir kurz auch die weiteren Bücher von Thomas angesprochen, aber da möchte ich Euch dazu aufrufen, mich zu nerven. Damit ich eine Sonderfolge mache, in der ich mit Thomas über „Spuren in der Stadt„, „Fußball mit Ecken und Kanten“ und über „26757“ spreche.

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