Das Primoplan 58mm f1.9 II im Test (feat. die Kirschblüten Competition)

Tessar, Planar, Biotar oder Sonnar? Primoplan oder Trioplan? Es sind solche Markennamen in der Fotografie, die etwas in mir auslösen. Sofort habe ich diesen ganz eigenen Vintage-Style vor Augen, mal mit Swirley-Effekt, mal mit Bubble-Bokeh. Veträumt, cremig, charaktervoll. Geradezu ideal für sanfte Portraits, vielleicht auch für die Blümchen-Fotografie?

Schon lange verfolge ich die Pressemitteilungen rund um Meyer Optik Görlitz. Die über 120 Jahre alte Historie liest sich wie eine spannende Geschichte mit Höhen und Tiefen und mündet 2019 schließlich in die Übernahme der Markenrechte durch OPC Europe. Seit 2020 wurden mehrere legendäre Objektive neu aufgelegt, alles handgefertigt und made in Germany. Von 2021 an sogar in der hauseigenen Manufaktur im Herzen von Hamburg.

Neu erschienen (erkennbar an dem Zusatz „II“) sind bislang unter anderem das Biotar 58mm F1.5, die drei Trioplans 35mm F2.8, 50mm F2.8 und 100mm F2.8, sowie eben auch die beiden Primoplans 58mm F1.9 und 75 F1.9. Vor allem das 58er Primoplan hatte mich besonders interessiert, dieses ganz eigene Bokeh auf Basis einer Rechnung, die bis ins Jahr 1936 zurück reicht. Nein, da konnte ich nicht widerstehen. Ich wollte das einfach einmal ausproboieren und wissen, wie mir diese Optik gefällt. Die Meyer Optik Görlitz GmbH war so nett und hat mir das Objektiv zum Test zur Verfügung gestellt.

Achtung, das wird ein langer Bericht mit vielen Aufnahmen. Wenn Du keinen ganz langen Atem hast, dann scroll doch gleich nach unten zu meinem Fazit!

#Transparenz

Ich hatte ausführlich Zeit, das Objektiv zu testen, ja ich habe es sogar auf meine Reise nach Japan mitnehmen können. Dabei habe ich von der Meyer Optik Görlitz GmbH keinerlei Vorgaben bekommen, was und wie ich berichte. Und natürlich habe ich kein Geld bekommen für das, was ich schreibe. Ich wollte dieses Objektiv einfach unbedingt einmal ausprobieren und bin dankbar, dass ich das völlig unentgeltlich machen durfte. Was also folgt, ist einmal mehr meine objektive Meinung. Natürlich kannst Du dabei zu einem völlig anderen Schluss kommen, gerade wenn es um so etwas Subjektives wie ein Bokeh geht. Und erst recht bei einer Objektivrechnung, die schon 87 (!) Jahre auf dem Buckel hat – mit allen Stärken und Schwächen.

Primoplan 58mm F1.9 II an der Leica M10
Primoplan 58mm F1.9 II an der Leica M10

Die Haptik des Primoplan 58mm F1.9 II

Klein ist es nicht und leicht ist es auch nicht. Aber es fühlt sich gut an und das muss es auch, schließlich will ich spüren, dass es ein handgefertigtes Produkt ist. Es besteht aus neun Linsenelementen in sechs Gruppen und verfügt über eine Mehrschichtvergütung, die Reflexionen reduzieren soll. Deswegen ist es an meiner Leica M auch durchaus nicht so klein, wie vergleichbare Objektive dieser Brennweite und dieser Lichtstärke.

Okay, an einer Messsuchekamera sieht es vielleicht ein Idee zu wenig „vintage“ aus, an der Wertigkeit gibt es aber nichts zu meckern. Die Fokussierug ist extrem smooth, der Fokusweg ist mit einer dreiviertel Drehung wirklich lange. Und das ist gut so, denn vor allem im Nahbereich (Naheinstellgrenze 50cm) ist Feinarbeit gefragt.

Es ist wichtig zu wissen, dass das Primoplan nicht mit dem Messsucher der M funktioniert, weil keine keine Kopplung zwischen Messsucher und Objektiv stattfinden kann. Die Fokussierung muss also über den Live View oder noch besser, über den Aufstecksucher Visoflex erfolgen. Damit ist das Primoplan weder für analoge Ms noch für die älteren digitalen Ms wirklich geeignet. Für alle meine Bilder mit dem Primoplan habe ich an meiner Leica M10 ausnahmslos den Visoflex genutzt.

Der Blendenbereich reicht von Offenblende F1.9 bis F22. Jeder Blendenring-Fetischist wird jedoch laut aufschreien, es gibt keine Klicks, die Blende kann nur klickfrei verstellt werden. Es ist das, was Filmer immer besonders lieben, während Stills-Nostalgiker (und auch ich zähle mich dazu) viel lieber spüren und in Gedanken bei jedem Klick mitzählen können, wenn die Blende verstellt wird. Nein, das funktioniert mit dem neuen Primoplan nicht. Dafür hat der Blendenring eine Portion Widerstand, so dass man die Einstellung eigentlich nicht aus Versehen verstellen kann. Und so ist das auch völlig in Ordnung für mich.

Das Primoplan 58mm F1.9 II im ersten Einsatz

Das Versprechen der Neuauflage dieses Primoplans 58 ist nun, dass es die selben optischen Eigenschaften wie das Original anbieten würde. Nur eben viel besser verarbeitet, vergütet und hergestellt. Das wollte ich unbedingt ausprobieren, selbstredend um den größten Effekt zu erzeugen, natürlich immer mit der Offenblende. Ich bin ja so einer, der immer das Maximale ausnutzen möchte. Also Blende F1.9, ab an die Elbe und Hamburgs Hafenatmosphäre an diesem Sonntagmorgen fotografieren.

Was soll ich sagen? Ich bin schwer beeindruckt. Schon auf dem Display der M10 sehe ich dieses unfassbare Bokeh, was ja eines der einzigartigen Merkmale des Primoplan 58 f1.9 II sein soll. Die Unschärfe im Hintergrund ist butterweich dargestellt, ich denke dabei an die Aufnahme von einer der Hafenfähren auf die Elbphilharmonie. Oder an die leere Glasflasche, die auf einem der Hafenpoller steht. Das sieht aus wie gemalt und ich sehe darin auch eine charakteristische, fast dreidimensionale Bildwirkung. Das macht definitiv Lust auf mehr.

Das Primoplan 58mm F1.9 und die Kirschblüte

Eigentlich bin ich ja überhaupt nicht der Typ, der Blümchen fotografiert. Aber ich erinnere mich, dass ich das vor einiger Zeit in einer Phase des Testings von Vintage-Objektiven ganz gerne gemacht habe. Damals war ich vom Altglas schwer angetan und habe mich an den verschiedenen Blumen im Hamburger Haynspark ausgetobt (siehe auch den Blogartikel zum Pentacon 50mm F1.8 an der Fuji X-T10). Warum sollte ich dasselbe nicht auch mit dem Primoplan 58mm F1.9 II ausprobieren?

Und dann war ja da noch mein Plan, im April nach Japan zu fahren. Ins Land der Kirschblüten, dort wo die Menschen sich genau in dieser Zeit auf Decken sammeln, Sushi mit Sake genießen und die Blüten anpreisen. Eine Prozedur, die in Japan mit dem Ausdruck hanami einen eigenen Namen trägt und so besonders ist, weil sie eben auch die Vergänglichkeit des Schönen ausdrücken soll. Es sind nämlich nur wenige Tage vom Beginn der Blüte bis sie vorüber ist. Von all dem hatte ich bereits gehört, schließlich pflegen wir Hamburger – gerade auch aus den Verbindungen der Hansestadt mit Japan – die Kirschblüte an der Binnen- und der Außenalster.

Was ich bislang aber nicht wusste, mit welchem Aufwand die Japaner die Kirschblüte vorherzusagen versuchen. Schon zu Jahresbeginn wird der Cherry Blossom Forecast täglich aktualisiert, die Visualisierungen erinnern an unsere hiesigen Wetterkarten und finden wahrscheinlich mindestens genau so viel Beachtung wie hierzulande der Wetterbericht. Und so verfestigt sich bis Ende März mein klarer Plan, Mitte April in die japanischen Alpen zu fahren, denn genau dann müssten dort die Kirschen in voller Blüte stehen, während im milderen Tokio die Blüte schon längst ein Ende gefunden haben würde. Doch erstmal wollte ich üben. Wo? Natürlich an der Binnenalster.

Ich hatte vom ersten Shooting mit dem Primoplan 58mm F1.9 II am Hamburger Hafen noch im Kopf, dass mich das Bokeh zwar umgehauen hatte, ich aber etwas die Schärfe vermisste. Besagte Glasflasche war mir zu weich, das Etikett konnte ich nicht so ganz zufriedenstellend scharf auflösen. Also wählte ich für die Hamburger Binnenalster die Blende F2.8 und wollte feststellen, ob a) die Bilder an Schärfe gewinnen und b) ob die Bokeheffekte ausreichend bestehen bleiben. Und hey, es war zwar noch etwas früh für die Hamburger Kirschen, aber ohne zu viel zu verraten, diese hanseatischen Blüten können mit denen in Japan wirklich konkurrieren!

Und erneut verliebe ich mich schon während des Fotografierens in dieses Bokeh. In der Ferne verliert sich alles im Cremigen. An den Rändern sehe ich einen leicht ausgeprägten Swirl-Effekt und in den Unschärfebereichen in der Nähe und Mitte machen sich die kleinen Zwiebelringe bemerkbar. Am deutlichsten sehe ich alle drei Merkmale an der Aufnahme der blühenden Narzissen an der Binnenalster: Cremigkeit, Swirl und Zwiebelringe. Und das alles bei – „nur“ – Blende F2.8. Mangelnde Schärfe? Nö.

Auf der Jagd nach der japanischen Kirschblüte

Ich war also vorbereitet. Nämlich a) dem Objektiv (merke: Blende F2.8 / merke weiter: nie den Visoflex vergessen!) und b) den Kirschen. Und kurz darauf nach Tokio geflogen (einen Reisebericht über meine Japan Rundreise findest Du hier).

Als ich in der japanischen Hauptstadt ankomme, ist – wie aus dem Forecast zu erwarten war – die Kirschblüte schon seit über einer Woche „durch“. Die hanami-Feierlichkeiten hatte der Wettergott kräftig verhagelt, fast die kompletten zehn Tage der Blüte hatte es in Tokio geregnet. Die Kirschblüte war 2023 also nicht nur rekordverdächtig früh im Jahr, sondern leider auch rekordverdächtig verregnet. Wie gut, dass ich erst jetzt in Japan angekommen bin. Immerhin darf ich noch den Sakura Night Garden im Shinjuku Park erleben. Hier werden die verblühten Kirschbäume nachts so beleuchtet, dass es wirkt, als wären die Blüten noch am blühen. Das Primoplan liegt derweil im Hotelzimmer …

Nach zwei Tagen in Tokio reise ich weiter nach Nagano. Die Stadt kennt man ja von den olympischen Winterspielen 1998. Und wo Winterspiele sind, da ist es kühler. Und wo es kühler ist, da beginnt die Kirschblüte später. So die Logik und so – eigentlich – auch der Cherry Blossom Forecast. Leider war es auch hier so unglaublich mild, dass die Blüte quasi in letzter Sekunde noch früher einsetzte. Und ich daher wirklich nur noch die letzten Tage der Sakura erleben darf.

Man könnte sagen, ich habe wirklich Pech. Aber ich darf mich auch auf die Suche nach dem Glück begeben. Denn dort, wo die Bäume etwas mehr im Schatten stehen, da blühen tatsächlich noch die Kirschen und so sehe ich dort genau das, was die Japaner:innen so lieben. Ich zücke die Leica M10 mit dem Primoplan 58mm F1.9 II und kann endlich ein paar Sakura-Aufnahmen machen.

Und auch ein drittes Mal beeindruckt mich die Abbildungsleistung des 58er Primoplans. Auch wenn ich nicht mehr die volle Kirschblüte einfangen kann, so bin ich spätestens an der so ikonischen Matsumoto Burg in den japanischen Alpen zufrieden gestellt. Dafür ist dieses Objektiv so unfassbar gut geeignet, es schafft einen romantischen Eindruck und verbindet das Naturschauspiel der Sakura mit der historischen Architektur der Matsumoto Burg auf eine eindrucksvolle Weise. (hatte ich nicht angekündigt, das ich sehr subjektiv sein werde?)

Mein Fazit? Erst einmal ist die Hamburger Kirschblüte genauso schön wie die japanische Variante. Da bin ich ganz eigen, das Hamburger Rathaus und der Jungfernstieg im Hintergrund machen noch einen Tacken mehr her als die traditionelle Masumoto Burg. Dieser Punkt geht also irgendwie an die Hansestadt.

Das Primoplan 58mm F1.9 II als Portraitlinse?

Mein Testszenario sollte ganz klar die Kirschblüte in Japan sein, das habt Ihr schon gelesen. Aber tatsächlich hatte ich für ein paar Shots auch die Gelegenheit, das Primoplan auch als Portraitlinse zu testen – und zwar an meiner fantastischen Reisebegleitung Julia, die sich als mein Model dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.

Die Schwarz-Weiss Aufnahme habe ich mit F2.8 geschossen, die Farb Aufnahme sogar komplett offenblendig. Urteilt selbst, ich finde das Objektiv hat perfekt abgeliefert und eignet sich hervorragend für Portraits – sofern dieser cremige Look auch Dein Geschmack und den des Models treffen sollte.

Bevor ich indes zum Fazit des Primoplan 58mm F1.9 II komme, lasst mich doch einmal eine Blendenreihe fotografieren.

Dem Primoplan 58mm F1.9 II auf die Pelle gerückt

Zurück in Hamburg wollte ich es nämlich noch etwas genauer wissen. Ich habe mir ein Testbild eingerichtet, bestehend aus einem Perückenkopf mit einer Wollmütze, und das weitere das Setting mit einigen japanischen Mitbringseln dekoriert. Alle Aufnahmen habe ich vom Stativ aus mit ISO 200 und der Selbstauslöserfunktion gemacht. Fokussiert mit Hilfe des Visoflex auf den Schriftzug des Altona 93-Logos.

Neben dem Schriftzug (für die Schärfe im mittleren oberen Bereich) liegt mein Augenmerk auf den japanischen Devotionalien um den Kopf herum (für die Schärfe im Randbereich, aber auch für die Bokeheffekte – also auf das Tori-Gate aus Kyoto, der Sojasauce, den Kitkat Matchariegeln, dem Grünen Tee und der Minolta XD).

Klickt Euch gerne einmal durch die Blendenreihe, jede:r sieht da ja durchaus seine eigenen Dinge. Für mich jedenfalls wirkt das Bild bei Blende F1.9 durchaus etwas flau. Ich meine auch Farbsäume zu erkennen, generell sind die Randbereiche extrem weich, unfassbar schön finde ich das Hintergrundbokeh. Insgesamt hat mir das Bild aber doch etwas zu viel Charakter und etwas zu wenig Struktur.

Deutlich anders bei Blende F2.8. Die positiven Aspekte bleiben alle erhalten, der Gesamteindruck wirkt nun klarer, der Schriftzug auf der Mütze ist für mich nun ausreichend erkennbar, wenngleich die Ränder noch immer ziemlich unscharf sind.

Bis Blende 8 wird der Schriftzug immer deutlicher, allerdings sind dann – und das ist zu erwarten – alle „Special-Effects“ des Glases verloren gegangen. Was auffällt: Die Ränder bleiben extrem schwammig. Aber hey, erstens würden wir ja im Normalfall solch ein Objektiv nie soweit abblenden und zweitens wäre es sicherlich auch ein falscher Anspruch, scharfe Ränder zu erwarten. Wir wollen ja damit keine Architektur fotografieren. Und schließlich ist diese Randunschärfe vielleicht auch gerade eines der Features des Primoplans?

Auf das Altona 93 Wappen habe ich mit dem Visoflex fokussiert. Links die Offenblende bei F1.9, rechts bei Blende F8 – dem Sweetspot.

Was ich in den ersten Hamburg Bildern schon erkennen konnte, sehe ich hier im direkten Vergleich. Bei Offenblende schwächelt das Primoplan schon im mittleren Bereich des Bildes (das Logo ist natürlich nicht ganz in der Mitte, aber immerhin auf einer der Drittellinien. Also dort, wo bei Portraits die Augen liegen könnten).

Am äußersten Bildrand befindet sich die Minolta Kamera. Man erkennt gut am XD Logo, dass bei Blende 11 der Rand noch richtig unscharf ist (links). Erst bei ganz geschlossener Blende F16 ist die Schärfe akzeptabel (rechts)

Erstaunlich ist auch die Randunschärfe. Sie bleibt sogar bis Blende 11 erhalten. Und erreicht erst beim geschlossensten Blendenwert von 16 eine akzeptable Schärfe. Das von Andreas Jorns so schön formulierte Mantra „Schärfe gibts beim Inder“ trifft im Besonderen auf das Primoplan 58m F1.9 II zu. Es ist eben auch eine Vintage-Rechnung und damit ist diese Randunschärfe auch zu erwarten.

Oder doch nicht?

Weil Äpfel-Birnen-Vergleiche so schön sind: Das Primoplan 58 F1.9 II vs. das Helios-44M 50 F2

Ich wollte einfach mal wissen, wie sich mein olles Helios-44M im Vergleich zum Primoplan schlägt. Stichwort „Special Effects“, aber auch Stichwort „Randunschärfe“. Auch wenn das Helios-44M ein anderes Objektiv ist (es soll eher eine Kopie eines Biotars sein und damit ebenfalls eine Meyer Optik Görlitz Rechnung), so wird es doch hin und wieder mit dem Primoplan 58mm F1.9 II verglichen, nicht zuletzt wegen seines bekannten Swirl-Bokehs.

Primoplan 58mm F1.9 II vs. Helios 44-4 58mm F2
Primoplan 58mm F1.9 II (links) vs. Helios 44-M 58mm F2 mit M42 auf M Adapter (rechts)

Beide Objektive haben dieselbe Brennweite von 58mm und mit F1.9 bzw. F2 beinahe eine identische Lichtstärke. Das Helios wird seit den 1950er Jahren gebaut und war bis in die späten 1980er Jahre das Kitobjektiv russischer Spiegelreflexkameras und gilt daher auch als das meist gebaute Objektiv überhaupt. Entsprechend günstig ist dieser Klassiker auf dem Gebrauchtmarkt schon für etwa 25 Euro zu haben.

Die obige Belichtungsreihe habe ich auch mit dem Helios durchfotografiert – unter identischen Bedingungen. Bei Offenblende (also F1.9 bzw. F2) sind die Unterschiede eklatant. Das Helios wirkt trüb und milchig und ist kaum zu gebrauchen. Zumindest müsste man in der Nachbearbeitung ganz deutlich nochmal ran. Zu erkennen ist das Swirl Bokeh, zum Beispiel auf dem Minolta Objektiv. Und in der Bildmitte ist das Helios in Sachen Schärfe dem Primoplan dafür mindestens gleichwertig.

Jeweils bei Offenblende: Links das Primoplan (F1.9), rechts das Helios (F2)

Beide Objektive auf F2.8 abzublenden bringt jeweils eine gehörige Verbesserung. Das kennen wir bereits vom Primoplan, beim Helios ist der Schritt fast noch einmal stärker. Was die Schärfe betrifft zeigt sich aber nun schon hier, dass das neue Primoplan in einer anderen Liga spielt. Rundherum besser, ausgeglichener und deutlicher in der Farbwiedergabe. Es zeigt sich eindeutig, dass das Primoplan viel besser vergütet ist und die Nase weit vorne hat vor dem ollen Helios.

Blende F2.8 beim Primoplan (links) und beim Helios (rechts)

Exemplarisch möchte ich das einmal am Altona 93 Logo bei Blende 8 zeigen. Nicht nur das viel besser aufgelöste Markenzeichen des Fußballclubs, schaut Euch auch die Fusel auf der linken Seite der Mütze an. Oder die „Hautfarbe“ des Gesichtsansatzes unterhalb der Mütze. Aus meiner Sicht liegen Welten zwischen den beiden Objektiven. Und das war auch zu erwarten.

Sweetspot Blende F8: Das Primoplan löst in der Mitte deutlich besser auf (übrigens ab F2.8 über alle Blendenstufen hinweg)

Soweit alles erwartbar. Eine Überraschung zeigt dieser Apfel-Birnen-Vergleich aber doch. Und das ist die Randunschärfe. Erinnert Ihr Euch wie ich die These aufgestellt habe, dass Vintage Rechnungen am Rand einfach immer unscharf sind? Und dass das neue Primoplan daher am Rand auch schwächeln muss? Sogar noch bei Blende 11?

Bei der Randschärfe bei der schon gezeigten Blende F11 geht der Punkt klar ans Helios (rechts)

Nun, hätte mir jemand gesagt, dass das olle Helios 44-M bei Blende 11 das neue Primoplan locker in die Tasche steckt, ich hätte das nicht geglaubt. Mehr noch: Das Helios zeigt, dass auch eine alte Rechnung durchaus Randschärfe mitbringen darf.

Fazit

Was nehmen wir also mit? Das neue Primoplan 58mm F1.9 II ist zweifelsohne ein unfassbar tolles Objektiv. Ich würde es grundsätzlich immer eine Stufe abblenden, aber bei F2.8 lässt es keine Wünsche offen, solange keine scharfen Ecken benötigt werden. Das ist – und das haben wir im Vergleich zum ollen Helios gesehen – eine echte Schwäche des neuen Primoplans. Oder eben einfach Teil der Charakteristik, schon in der Ur-Rechnung.

Für die typischen Verwendungszwecke, nämlich der romantischen Fotografie, also für Portraits-, Tier oder Naturaufnahmen, bringt das Primoplan 58mm F1.9 II viele spektakuläre Special Effects mit – butterweiches Bokeh, Swirl-Effekte, Zwiebelringe. Diese Bildwirkung ist so faszinierend, dass mir wirklich die Worte fehlen. Glaubt mir, ich habe die Elbphilharmonie Bilder ausgedruckt vor mir liegen. Und ich staune über diese Bildwirkung. Ja, ich liebe sie.

Kurzum: Das Primoplan 58 f1.9 II ein Objektiv für Fotograf:innen, die Wert auf eine einzigartige Bildwirkung legen, die andere Objektive nicht liefern können. Das neue Primoplan macht so sehr Lust auf das Fotografieren, dass man die Gefahr läuft, ein paar Wermutstropfen zu übersehen:

  • Mit 899 Euro ist das Primoplan 58mm F1.9 II sicherlich teurer als viele andere Objektive auf dem Markt. Eigentlich kann man nur dagegen halten, dass hinter dem Pricing auch echte Wertarbeit aus Deutschland steht.
  • Dieses Glas wird in Eurer Fototasche sicherlich nicht den Stammplatz einnehmen, sondern nur eine Linse für ganz spezielle Einsätze. Die Investition musst Du also als „on-top“ Ausgabe begründen.
  • Gerade an den Leica M Kameras muss Du außerdem mit dem Visoflex arbeiten wollen. Und das ist Geschmacksache. Ohne einen Visoflex würde ich das Primoplan – wie auch alle weiteren Objektive ohne Messsucherkopplung – nicht verwenden wollen. Unabhängig vom M-Mount: Das Primoplan 58mm F1.9 II ist insgesamt für elf Anschlüsse erschienen und kann damit an jeder üblichen Systemkamera genutzt werden.

Danke!

Mein Dank geht an Meyer Optik Görlitz für die unkomplizierte Leihgabe. Leider muss ich das Objektiv nun wieder zurück geben, daher gehe ich heute – gerade zurück in Hamburg – gleich noch einmal raus und mache noch ein paar Bilder. Eigentlich wäre ja der japanische Garten in Planten un Blomen ganz passend …

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4 Gedanken zu „Das Primoplan 58mm f1.9 II im Test (feat. die Kirschblüten Competition)“

  1. Hallo Florian,
    vielen Dank für deine unterhaltsamen und interessanten Beiträge.
    Ich war/ bin auch ganz verliebt in Japan. Die Höflichkeit, das Essen, die Pünktlichkeit, das rücksichtsvolle Verhalten der Japaner und die extreme Sauberkeit sind faszinierend.

    Ich nutze die alten Originale von Meyer Optik Görlitz/ Pentacon und bin begeistert von dem Charme dieser Gläser. Sie kosten einen Bruchteil, selbst mit Adapter und müssen notfalls nur gereinigt werden.

    Nur ein kleiner Hinweis: Das Biotar ist von Carl Zeiss Jena und das Primoplan von Meyer Optik Görlitz. Die beiden Firman waren selbst in Zeiten der DDR-Planwirtschaft heftige Konkurrenten. Meyer hat eher selten die teuren hochbrechenden Spezialgläser von Zeiss bekommen. Meyer musste mit den einfacheren Gläsern auskommen und hat mithilfe genialer Berechnungen und Konstruktionen aus der Not eine Tugend gemacht.

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