Schneeschuhwandern in Lappland? Bei minus 31 Grad? Was ist eigentlich los mit mir, und warum mache ich das in meinem Urlaub? Sollte ich nicht viel eher in einer Wellnessanlage entspannen und die einzige Mühe darin bestehen, mich von Saunagang zu Saunagang zu bewegen?
Nun, hier in den Wäldern rund um das finnische Städtchen Kuusamo ist es absurd kalt. So kalt, dass ich von unserem Guide Piritta gleich am ersten Tag lerne, dass man vor dem Verlassen des Hauses keine Feuchtigkeitscreme verwenden sollte, da sie auf der Haut sofort anfrieren würde. Sonnenschutz ja, aber mindestens eine Stunde vorher. Morgens das Gesicht waschen? Keine gute Idee, denn die natürlichen Öle der Haut helfen dabei, der Eiseskälte zu trotzen. Peelings? Auf gar keinen Fall, nicht an diesen extrem eisigen Wintertagen.

Mit der Regelmäßigkeit eines verlässlich tickenden Uhrwerks knirscht der Untergrund unter meinen Schneeschuhen. Links, rechts, wieder links, wieder rechts. Um mich herum unzählige verschneite Bäume. Die Luft ist so klar, dass sich das Atmen völlig anders anfühlt. Sie ist aber auch so frostig, dass sie in der Lunge sticht. Jeder Atemzug bildet eine dichte Dampfwolke, die sich sofort in Eiskristalle zu verwandeln scheint. Nach wenigen Minuten ist mein Bart eine Ansammlung unzähliger kleiner Eisklümpchen. Und ich lerne, dass der kälteempfindlichste Teil meines Gesichtes die Wangen sind – ohne Sturmhaube wäre ich aufgeschmissen. Wer so verrückt ist, hier draußen unterwegs zu sein, muss vorbereitet sein. Die richtige Ausrüstung ist überlebenswichtig.
Schneeschuhwandern in Lappland ist anders
Wenn Ihr meinen Blog schon etwas verfolgt, dann wisst Ihr, dass das Schneeschuhwandern für mich nichts Neues ist. So war ich vor ziemlich genau drei Jahren fünf Tage lang in Süditalien auf der Hochfläche des Monte Pollino unterwegs (hier zum Bericht und hier zum daraus entstandenen Buch). Das Schneeschuhwandern in Lappland ist aber anders als in Süditalien oder in den Alpen, zumindest anders für mich. Der Schnee hier ist so fein wie Puderzucker und liegt ein bis zwei Meter hoch. Mit den Fäusten einen Schneeball formen? Nicht möglich, zu fein ist das nordfinnische Pulver.

Deswegen würde ich ohne Schneeschuhe auch sofort einsinken und nur mühsam vorankommen. Nicht dass es mit den Schneeschuhen nun ein Kinderspiel wäre, aber in aller Regel schaffe ich es, nicht zu tief einzusinken und halbwegs galant über die weiße Fläche zu gehen. Glaubt mir, es ist ein unglaubliches Gefühl, durch diese unberührte Schneelandschaft zu stapfen, während die Kälte leise knistert und jeder Schritt ein Knirschen hinterlässt. Links, rechts, wieder links, wieder rechts. So geht das Tag für Tag, Kilometer um Kilometer.
Ausgangspunkt ist das nicht einmal 15.000 Einwohner zählende Städtchen Kuusamo. Rund die Hälfte der hier lebenden Menschen wohnt irgendwo in den Wäldern um die eigentliche Stadt, die dementsprechend nicht einmal 8.000 Bewohner hat, dafür aber einen eigenen Flughafen, der den Anschluss an Helsinki und den Rest der Welt darstellt. Kuusamo zählt außerdem etwa 12.000 Rentiere, was bedeutet, dass auf fast jeden Mensch ein Rentier kommt – rein rechnerisch zumindest.
Wasser, Bäume und die Einsamkeit – die Ressourcen in Lappland
Die Ziele der Touren befinden sich alle in der näheren Umgebung von Kuusamo. Ich bin unterwegs im Nationalpark Riisintunturi, im Hügelland Vaara-Suomi, im Gebiet Ruka-Valtavaara und auf der legendären Bärenrunde im Oulanka-Nationalpark. Die Landschaft ist eine Mischung aus dichten Wäldern und unzähligen, teils zugefrorenen Seen, die sich wie ein Mosaik durch das hügelige Terrain ziehen. Je höher ich komme, desto karger wird die Taiga. Ab etwa 450 Metern Seehöhe werden die Bäume spärlicher, doch genau das macht den Reiz aus. Die Schneelandschaften werden noch intensiver, noch magischer.

Hier, wo der Winter scheinbar alles verschluckt, verwandeln sich die letzten stehenden Bäume in bizarre, kunstvolle Skulpturen. Die Natur hat sie in gewaltige Schneekreaturen gehüllt – manche erinnern an riesige Tiere, andere an Märchengestalten. Jeder Blick offenbart neue Formen und lässt die Fantasie schweifen. Mächtige Fichten und Kiefern biegen sich unter tonnenschweren Schneelasten und wachen wie uralte Giganten über die tief verschneite Weite. Ein Anblick, der mich jedes Mal aufs Neue fasziniert.
Andere Wanderer sind kaum unterwegs, an manchen Tagen fühle ich mich ganz allein. Es ist die Stille und die Einsamkeit, die den Reiz des Schneeschuhwanderns in Lappland ausmachen. Dafür sind alle Wege exzellent ausgeschildert, und in regelmäßigen Abständen finden sich Feuerstellen. Sogar für Holz ist in der Regel gesorgt. Die Bäche bieten beste Trinkwasserqualität, und was mich fast am meisten begeistert, ist die klare Luft. Auch wenn die Bedingungen grenzwertig sind und die körperliche Anstrengung hoch ist, so erhole ich mich mit jedem Schritt, den ich mit meinen Schneeschuhen in die glänzende Winterlandschaft setze. Links, rechts, wieder links, wieder rechts. Und so weiter und so weiter.

Auf diese Weise bin ich für eine Woche in den finnischen Wäldern unterwegs. Meist auf Schneeschuhen, einmal auch als normaler Wanderer, ergänzt um Gerödel für meine Wanderschuhe, das könnt Ihr Euch wie Schneeketten für die Schuhe vorstellen. Im Oulanka Nationalpark sind die Wege nämlich so gut ausgetreten und daher ist es angenehmer, auf die Schneeschuhe zu verzichten. Schließlich darf an einem anderen Tag auch eine Schlittenhundfahrt nicht fehlen. Ich lerne, wie man einen Schlitten (und damit natürlich die dazugehöirgen Hunde) lenkt; wie man bremst und beschleunigt.
Der Kampf gegen die Polarkälte
Der eigentliche Star ist aber das Klima, also die Mischung aus klirrender Kälte und den Unmengen an Schnee. Normalerweise müsste hier mindestens ein weiterer Meter davon liegen. Je später die Saison, desto mehr Schnee, so die einfache Faustregel. Denn vor Mitte März beginnt es in der Regel nicht zu schmelzen, daher kommt mit jedem Schneefall eine neue Schicht hinzu. Die Unmengen an Schnee sind für mich als Naturtourist aber ebenso eine Herausforderung wie für die Einheimischen. Oder auch für Autos, die alle auf eine spezielle Art und Weise vorgeheizt werden müssen, bevor sie losfahren können.
Daher wundert es auch nicht, wie viel schwere Kost auf dem Speiseplan steht: dicke, cremige Suppen, Fleisch mit viel Gemüse und Kartoffeln. Selten esse ich so viel wie in diesen Tagen. Die Schneeschuhwanderungen sind anstrengend, aber vor allem die Kälte ist dafür verantwortlich, dass ich wirklich viel esse und meinen Körper ständig mit neuer Energie versorge. Es gibt immer irgendwo einen wärmenden Tee, und schließlich hilft ein Kaffee auch gegen die drohende Dunkelheit. Nicht umsonst gelten die Finnen als die Nation mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Kaffeekonsum.

Last but not least wäre da natürlich noch das Kulturgut des Nordens schlechthin – die finnische Sauna. Nach jeder einzelnen Schneeschuhtour, an jedem Abend in dieser Woche, wärme ich mich in der Privatsauna unserer Blockhaushütte auf. Nein, es ist nicht das Gefühl einer heimischen Wellnessanlage, das mich glücklich werden lässt, es ist die ganz eigene Kombination aus den eisigen Naturerlebnissen des vergangenen Tages mit der dampfenden Hitze aus den glühenden Saunasteinen. Erholung pur.
Polarlichter und Artic Halos
Und was wäre eine winterliche Reise in den hohen Norden ohne die Jagd nach den schillernden Polarlichtern? Gerade hier, in Finnisch-Lappland, knapp unterhalb des nördlichen Polarkreises, bleibt es ein faszinierendes Glücksspiel, ob sich das grün-violett-rote Lichtspektakel zeigt oder nicht. Zwei Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle: Zum einen braucht es einen halbwegs wolkenfreien Himmel, zum anderen eine ausreichend starke Polarlichtaktivität. Letztere erklärt Piritta in mehreren Varianten.
Erstens: Polarlichter entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwinds auf die Erdatmosphäre treffen. Dort kollidieren sie mit Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen, wodurch Energie in Form von farbigem Licht freigesetzt wird. Die Farbpalette variiert je nach Höhe und Art der Moleküle: Sauerstoff in etwa 100 Kilometern Höhe erzeugt das typische grüne Leuchten, während rötliche und violette Töne aus größeren Höhen stammen.

Zweitens war da ja noch diese weniger wissenschaftliche Erklärung, die Geschichte von „Revontulet“. Denn auch in der Mythologie der Sámi spielen Polarlichter eine besondere Rolle. Der Legende nach rennt der „Revontulet“ (deutsch: Feuerfuchs) durch die schneebedeckten Landschaften des Nordens und schleudert mit seinem buschigen Schwanz Schneekristalle in den Himmel. Diese Kristalle sind es, die das Licht reflektieren das Licht des Mondes und der Sterne und erzeugen die faszinierenden Farben der Aurora Borealis. Diese Legende ist so tief in der Kultur der Sámi verwurzelt, dass sogar das finnische Wort für Nordlichter, „Revontulet“, von dieser Erzählung abgeleitet wurde.
Egal ob wir nun die wissenschaftliche oder die mythologische Variante für die Polarlichter wählen, das Schauspiel der Nordlichter ist kein Alltägliches. Es ist nicht nur beschränkt auf die Wintermonate, es kann auch sein, dass viele Tage keine Lichter zu sehen sind. Im Nachhinein sehe ich es als großes Privileg, an einem Abend die tanzenden Lichtschleier sehen zu können. Haltet mich für verrückt, aber ich hatte erwartet, dass die Polarlichter Geräusche machen würden, umso mehr passt das Naturspektaktel in die Ruhe und in die Einsamkeit der finnischen Wälder.

Als wäre es nicht schon ein großer Glücksfall an sich gewesen, die Polarlichter zu sehen, so zeigte sich an einem Tag auch der „Arctic Halo“, ein Regenbogen aus Eiskristallen. Es ist ein seltenes Lichtspektakel, das durch die Brechung und Reflexion von Sonnenlicht an winzigen Eiskristallen in der Atmosphäre entsteht. Auch hier erzählt uns Piritta wieder mit viel Liebe zum Detail und ihrem charmanten finnischen Humor, dass diese Kristalle wie Prismen wirken und einen kreisförmigen Lichtschein um die Sonne oder den Mond erzeugen. Und welches Glück wir haben, einen solchen „Arctic Halo“ in der vollen Ausprägung sehen zu können.

Was bleibt nach diesen eiskalten Erfahrungen?
Diese Woche in Lappland ist eine unvergessliche Erfahrung. Die tief verschneiten Landschaften, die klirrende Kälte und das Glück, die Polarlichter zu sehen, haben diese Reise zu etwas ganz Besonderem gemacht. Ich bin dankbar für die unberührte Natur, die mich mit ihrer Stille und Erhabenheit immer wieder beeindruckt hat.
Was ich gelernt habe: Der Winter in Lappland ist nicht einfach nur eine Jahreszeit, er ist geradezu ein eigenes Universum aus frostiger Magie, knirschendem Schnee und eisklarer Luft. Das Schneeschuhwandern in Lappland fordert mich körperlich heraus, doch es schenkt mir gleichzeitig eine tiefe innere Ruhe. Die Momente der Einsamkeit inmitten der weißen Weite fühlen sich nicht verloren, sondern erfüllend an. Mein Dank gilt auch Piritta und ihrem Team – ich kann sie Euch als Guides wärmstens empfehlen (Link unten).
Irgendwie ist diese Lappland-Tour für mich auch wie ein Abschluss dieses Winters. Nach den Erfahrungen dieser klirrenden Kälte, die ich so noch nie erleben durfte, ist es nun Zeit für den Frühling und ein paar wärmende Sonnenstrahlen. Sollte ich wehmütig werden, kann ich ja einfach in die nächste finnische Sauna gehen. Denn die ist auch in Hamburg nicht weit entfernt.
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Natürlich habe ich auch fotografiert. Die Aufnahmen in diesem Artikel sind digital fotografiert, aber ich habe auch ein paar Rollen Film geschossen. Über die verwendeten Kameras und Objektive werde ich vielleicht in einem eigenen Artikel noch ausführlich berichten (Update: hier das Voigtländer 21/1.4)
Links / Zum Weiterlesen
- My Trail & Piritta – und lasst ein Abo auf ihrem Instagram Kanal da
- Meine Instagram Story zum Schneeschuhwandern in Lappland
- Bericht zur Schneeschuhwanderung auf den Monte Pollino und zum Buch „Pollino“

























Was für ein Abenteuer! Kann man das so sagen? Auf jeden Fall schöne Bilder mitgebracht. Ich bin auf den Beitrag über/mit der Fototechnik gespannt. Bei den Temperaturen bestimmt nicht ohne und was es alles zu beachten gab.
VG Jens
Hallo Jens, vielen Dank! Ein kleines Abenteuer war es schon. Viele Grüße Florian
Ein toller Bericht über eine wohl doch sehr einzigartige Reise! Allein beim Lesen klingt diese Reise anstrengend – ich kann nur erahnen, wie besonders sich diese Reise angefühlt haben muss. Wahrscheinlich nie eine Reise, die ich selbst antreten werde. Daher umso schöner, auf diesem Wege ein kleines bisschen unterwegs gewesen zu sein.
Viele Grüße – Mai Quynh
Hallo Mai, danke für Deine netten Worte! Viele Grüße, Florian