Ich bekenne mich schuldig – Wiederholungstäterschaft im besten Sinne. Zwei Jahre nach meinem ersten Workshop mit Jonathan Jasberg, damals im japanischen Kyoto, war es endlich wieder soweit: Fünf Tage Street Photography in Istanbul, einer Stadt, die wie gemacht ist für dieses Genre. Die Mischung aus Geschichte, Kultur und dem pulsierenden Leben auf den Straßen versprach eine inspirierende Kulisse für intensive fotografische Erlebnisse. Und dieses Mal wusste ich ja in etwa, was auf mich zukommen würde: eine wunderbare Mischung aus Coaching, einer Menge Inspiration – und ganz viel sympathischer Nähe. Eben ein Workshop mit Jonathan Jasberg.
Über Jonathan Jasberg
Stammleser:innen und vor allem auch Podcasterhörer:innen unserer Fotobuch Plauder Ecke kennen Jonathan schon von unserer Folge zum Thema „Street Photography“ vom Juni letzten Jahres. Jonathan war damals als Stimme zu Gast und verriet uns ein paar seiner fotografischen Philosophien. Wenn du Jonathan noch nicht kennst, dann hör gern mal rein – oder lass dir von mir gesagt sein:
Jonathan Jasberg ist ein international mehrfach ausgezeichneter Street- und Dokumentarfotograf. Seit 2010 führt er ein nomadisches Leben und hat in über 60 Ländern fotografiert. Seine Arbeiten zeichnen sich durch komplexe, mehrschichtige Kompositionen aus, in denen sich urbane Szenerien mit einem feinen Gespür für Timing und Raum überlagern. Publikationen in National Geographic Traveler, New York Magazine, GEO und LFI sowie Ausstellungen rund um den Globus zeugen von der Anerkennung seiner Arbeit. Allein im Jahr 2022 wurde er mit dem ersten Platz in der Serie beim Eyeshot Open Call ausgezeichnet, aus dem auch sein bemerkenswertes Buch Cairo: A Beautiful Thing Is Never Perfect hervorging, das ich in unserer Podcastfolge ausführlich vorgestellt habe.
Istanbul als Bühne für die Street Photography
Je länger ich mich mit Street Photography beschäftige, desto klarer wird mir: Ich bin kein Street-Fotograf. Viel lieber dokumentiere ich Themen. Aber ich liebe die Techniken, die das Genre der Street Photography mit sich bringt. Mehrere Menschen im Bild anordnen, sie in Ebenen staffeln, Farben gezielt einsetzen, Räume strukturieren und gleichzeitig den entscheidenden Moment erwischen. Das ist es, was komplexe Straßenfotografie so reizvoll und auch so herausfordernd macht.

Istanbul, dieser Schmelztiegel der Kulturen, scheint wie geschaffen dafür. Europa trifft auf Asien, Okzident auf Orient, Tradition auf Moderne. Die engen Gassen, geschäftigen Basare, die Fähren über den Bosporus; sie alle bieten unzählige Motive. Und vor allem: Jonathan kennt die Stadt wie seine Westentasche. Das ermöglichte es uns, abseits der bekannten Routen zu fotografieren: authentisch, nah dran, mitten im Leben.
Lernen durch Beobachtung
„Uns“ – das waren Rachel aus Singapur, Tom aus England und Simon aus Kanada. Eine kleine, internationale Gruppe, wie gemacht für intensiven Austausch. Die abendlichen Bildbesprechungen waren nicht nur lehrreich, sondern auch eine Gelegenheit, voneinander zu lernen und ganz unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen.
Wie schon in Kyoto beeindruckte mich Jonathans Arbeitsweise. Seine Geduld, sein Blick für Details, sein Gefühl für den richtigen Moment; absolut inspirierend. Er zeigte uns, wie wichtig es ist, die Umgebung aufmerksam zu beobachten und auf genau diesen Moment zu warten. Und auch, wie man Kompositionen wirklich aufbaut: Layering, das Zusammenspiel von Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Er erklärte uns, wie er seine Leica Q3 dafür einsetzt – konsequent manuell fokussiert.

Wir lernten Techniken wie Framing, Foreshadowing und die sogenannte „Half-Body–Full-Body–Small-Body“-Logik. Zur Mittagszeit setzten wir uns zusammen, ließen uns individuell Feedback zu unseren Bildern geben (ich hatte eine Serie aus Amici di Napoli eingereicht) und erhielten anhand von Jonathans eigenen Aufnahmen konkrete Learning Lessons.
Ein typischer Workshoptag
Die Tage waren intensiv, wirklich. Glaubt Ihr nicht? Dann hört mal zu: Nach einem gemeinsamen Frühstück ging es schon früh raus zum Fotografieren. Bis zum Mittagessen waren wir „im Feld“ – mal alleine, mal zu zweit mit Jonathan, mal in der ganzen Gruppe. Immer in Kontakt über unsere geteilten Standorte per WhatsApp und ausgestattet mit exzellenten Google-Maps-Spots, die Jonathan am Vorabend kuratiert hatte.
Nach dem Essen folgten Reviews und Bildanalysen, bevor es wieder rausging, bis das Licht verschwand. Dann ein schnelles gemeinsames Abendessen und anschließend: Auswahl, Editing, Bildbesprechung. Die Tage endeten selten vor 23 Uhr. Gerade genug Zeit, um Akkus zu laden, Karten zu formatieren und kurz durchzuatmen, bevor wir müde, aber zufrieden ins Bett fielen.

Und der Effekt? Wir alle träumten super intensiv. So intensiv, dass wir es morgens direkt miteinander teilen mussten, beim Frühstück. Für Jonathan nichts Neues: Er kennt diesen Zustand von nahezu allen seiner Workshops. Es sei das Resultat maximaler Aufmerksamkeit, völliger Konzentration – und tiefer fotografischer Immersion.
Was ich mitnehme von der Street Photography in Istanbul?
Istanbul ist chaotisch und fotografisch fordernd. So zumindest mein persönlicher Eindruck. Ruhige Hintergründe sind selten, Freistellungen schwierig. Istanbul ist spannend, keine Frage, aber für mich persönlich nicht die naheliegendste Stadt für die Street Photography. Irgendwie haben wir – also die Stadt und ich – doch hin und wieder auch gefremdelt. Und doch war Istanbul für unsere Gruppe, als Stadt zum Lernen, ideal.
Die Stadt bietet so viele unterschiedliche Facetten, dass für jede:n von uns das Passende dabei war. Und ich habe in diesen fünf Tagen nicht nur meine Fähigkeiten weiterentwickelt, sondern auch neue Freundschaften geschlossen – Rachel, Simon und Tom waren so spannend und so offen und so inspierierend. Und so haben wir zusammen als Team Istanbul noch einmal ganz neu kennengelernt.

Für alle von Euch, die sich ernsthaft und mit Tiefgang mit der internationalen Street Photography auseinandersetzen möchten, muss ich Jonathans Workshops uneingeschränkt empfehlen. Sie sind eine Investition in die eigene Entwicklung – fotografisch, aber auch persönlich.
Thank you so much, Jonathan, for yet another unforgettable workshop experience. Your preparation, your openness, and your presence throughout these five days were nothing short of remarkable. You create an atmosphere that is at once focused, generous, and deeply human.
I truly appreciate not only the photographer you are, but also the person behind the camera. I feel a genuine sense of friendship and connection with you and I’m already looking forward to the next opportunity to walk the streets together.
Links
- Website von Jonathan Jasberg
- Instagram Jonathan Jasberg
- Mehr über Jonathans Vorgehensweise im B&H Video bei Vimeo
- Jonathans Rückschau zu unserem Istanbul Workshop
- Kyoto Workshop mit Jonathan
- Fotobuch Plauder Ecke in der ich Jonathans Bildband vorstelle (Juni 2024)
- Street Photography in Istanbul: Eine Übersicht von Chasing the City
Bilder
Eine Auswahl meiner Bilder, fotografiert mit der Leica M11 und dem Voigtländer Ultron 28mm F2 (Review hier). Es sind Aufnahmen aus den verschiedenen Stadtteilen von Istanbul.





































Wundervolle Aufnahmen und ein wundervoller Text.
Vor ein paar Monaten bin ich über deinen Blog auf Jonathan Jasberg aufmerksam geworden, leider ist sein Buch ja schon ausverkauft. Aber jetzt wo ich das bei dir lese, finde ich es noch mehr schade dass ich das Buch nicht habe.
Dankeschön Sebastian! Und ja, wirklich schade, dass das Cairo Buch so schnell ausverkauft war…
Hallo Florian,
auch wenn Du schreibst, mit der Stadt etwas gefremdelt zu haben (warum eigentlich?), sind viele der Bilder doch sehr gut geworden. Sie vermitteln schon sehr gut, wie unterschiedlich das Straßenbild in der Stadt (heute bestimmt noch mehr als früher) so ist. Ich mag 6, 22, 30 und 31 mit am liebsten.
Ich war 1988 und 1989 jeweils auf Interrail-Tour dort. War damals das absolute Highlight. Ich bin gespannt, wie sich die Stadt seitdem verändert hat. Wahrscheinlich irre… müsste nochmal hin.
LG Peter
Danke Dir Peter! Ich kann tatsächlich bestätigen, wie sehr sich die Stadt verändert hat. Ich war 1991, damals noch mit meinen Eltern, das letzte Mal in Istanbul. Und alles was ich in Erinnerung hatte, ist quasi über den Haufen geworfen worden. Eine völlig andere Stadt! … warum ich nicht so richtig angekommen bin in der Stadt? Ich kanns gar nicht so genau sagen, es hat irgendwie nicht so ganz gepasst, ich würde Istanbul auf jeden Fall eine zweite Chance geben 😉
Liebe Grüße, Florian
… eines Tages mache ich das bestimmt noch… 🙂
VG Peter
Ganz starke Collection. Vor allem diese Farben. Mein Liebkingsbild ist wo du dich selbst spiegelst und die Arbeiter in den orangenen Jacken fotografierst hast, wohl auf oder an der Galata Brücke? Viele Grüße von Thomas
Danke Dir Thomas! Ja das war an der Galata Brücke! Viele Grüße Florian
Hallo Florian,
Istanbul ist eine Reise wert und ein Workshop mit Jonathan Jasberg ist einfach ein Muss. Das erste ist leicht machbar. Doch beim zweiten muss man viel Glück haben, um einen der begehrten Plätze zu erhaschen.
Für mich ein wunderbarer Beitrag über eine intensive Workshop-Woche, abgerundet mit tollen Fotos. Wenn ich eines von deinen 37 Fotos auswählen müsste, wäre es das Foto mit den Sonnenbrillen und dem Spiegel, Bildnummer 22. Doch auch die Bilder 9 und 12 finde ich fazinierend.
Liebe Grüße ausm Pott
Lieben Dank Manfred. Es ist super spannend für mich zu sehen, welche Bilder ihr wählen würdet. Liebe Grüße!!
Man merkt, dass du die Techniken der Street Photography gerne gelernt hast – auch wenn ich sie nicht benennen kann, habe ich schon das Gefühl, dass da viel Gespür für die Komposition ist. Da ich bisher mit Street Photography nichts am Hut habe, ist das echt interessant, wenn ich darauf achte.
Das Bild 8, mit den beiden winken Kindern in der Rückenansicht im Vordergrund und der Brücke im Hintergrund mochte ich sehr. Bild 31 wirkt wie aus der Zeit gefallen mit dem Outfit der Frau und den Farben. Nicht wie 2025, eher 1980er. Finde ich super cool!
Lieben Dank für Deinen wertschätzenden Kommentar, das freut mich sehr zu lesen, zumal ich diese Art des fotografierens wirklich herausfordernd finde! Viele Grüße Florian