„Call it Corona“ (Fotobuch Plauder Ecke #18)

In dieser Ausgabe der Fotobuch Plauder Ecke dreht sich alles um das Thema „Gesundheit“. Unsere Stammhörer:innen wissen: Wir wählen zu jedem Motto jeweils ein passendes fotografisches Buch aus und stellen es uns gegenseitig vor. Thomas hat sich diesmal für den Bildband X-Ray: Die Schönheit des Verborgenen entschieden. Der britische Fotograf Nick Veasey ist ein Meister der Röntgenfotografie – und was er sichtbar macht, fasziniert ebenso wie es irritiert. Hört unbedingt rein, wie Thomas mir diesen außergewöhnlichen Bildband näherbringt!

Während Thomas als Arzt im medizinischen Bereich zu Hause ist, sind gesundheitliche Themen für mich eher ein Schritt aus der Komfortzone. Ich habe mich für das Gemeinschaftsprojekt Call it Corona entschieden. 89 Fotograf:innen dokumentieren in diesem Bildband die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Deutschland – über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg, eindrücklich und bewegend.

Herausgegeben wurde der 258 Seiten starke Bildband von Valeska Achenbach, Gustavo Alàbiso, David Baltzer, Ralph Pache und Andreas Varnhorn. Für die Gestaltung zeichnete die Hamburger Fotografin und Grafikerin Nicole Keller verantwortlich. Kuratiert wurde das Projekt vom renommierten Kölner Fotografen und Dozenten Wolfgang Zurborn. Call it Corona erschien am 12. Oktober 2023 im Verlag Edition Bildperlen. Unterstützt wurde die Veröffentlichung von der Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst sowie vom Berufsverband FREELENS.

Wie „Call It Corona“ unserer Erinnerung auf die Sprünge hilft

Beim Durchblättern des Bildbands merke ich, wie viele Szenen ich längst vergessen hatte: die bedrohliche Kulisse der Pegida-Aufmärsche, abgesperrte Spielplätze, Geisterspiele in der Bundesliga, allgegenwärtige Abstandsmarkierungen – und natürlich: Masken, Masken, Masken. Es fühlt sich an, als würde ich in eine Parallelwelt blicken. Unwirklich, fast fiktiv. Als hätte all das gar nicht stattgefunden.

Tatsächlich jährt sich der erste Lockdown inzwischen zum fünften Mal. Besonders präsent ist mir der 13. März 2020 geblieben – ein Freitag, der Dreizehnte. Es war für lange Zeit mein letzter Tag im Büro. Wir wussten: Ab jetzt würde das Arbeiten irgendwie von zu Hause aus funktionieren müssen. Aber wie lange? Unter welchen Bedingungen? Niemand hatte eine Antwort.

An jenem 13. März 2020 verkündeten die meisten Bundesländer den Lockdown. Schulen und Kitas schlossen flächendeckend. Der Deutsche Fußballbund stellte den gesamten Spielbetrieb ein. Und schließlich wurde verkündet, dass erstmals in 300 Jahren der Hamburger Fischmarkt abgesagt werden musste.

89 Fotograf:innen zeichnen ein heterogenes Bild von Corona

Mit insgesamt 280 Fotografien von 89 Künstler:innen bietet Call it Corona einen facettenreichen Einblick in das Leben während der Pandemie. In der Podcastfolge stelle ich folgende Arbeiten exemplarisch vor.

Bei so vielen Beteiligten – darunter auch Gesche Jäger und Andreas Herzau, deren Bücher wir in früheren Folgen bereits besprochen haben – ergibt sich naturgemäß ein äußerst heterogenes Bild. Stile, Techniken und Erzählweisen könnten kaum unterschiedlicher sein. Umso bemerkenswerter ist die kuratorische Leistung von Wolfgang Zurborn: Es gelingt ihm, aus der Vielfalt eine schlüssige, fast durchgängig stimmige Abfolge zu formen, die kaum eine Facette des Lockdowns in Deutschland auslässt. Ihm, den beteiligten Fotograf:innen und dem Herausgeber:innen-Team ist damit ein eindrucksvolles zeitgeschichtliches Dokument gelungen – eines, das mich nachdenklich, ja teils verstört zurücklässt. Und genau darin liegt seine Stärke.

Call it Corona enthält außerdem ausführliche Nachworte von Udo Lindenberg, Prof. Heike Ollertz und Johannes von Dohnanyi. Ergänzt wird der Bildband durch ein 36-seitiges Begleitheft, in dem die Fotograf:innen ihre Arbeiten kommentieren und persönliche Einblicke in ihre Herangehensweise geben.

Ein Buch, das bleibt

Call it Corona ist mehr als ein Fotobuch – es ist ein kollektives Erinnerungsstück an eine Zeit, die wir schnell vergessen, die aber bis heute nachwirkt. Es erzählt von Unsicherheit, Isolation und gesellschaftlichen Spannungen, aber auch von Kreativität, Solidarität und dem Bedürfnis, sichtbar zu machen, was uns damals sprachlos gemacht hat. Gerade heute, fünf Jahre nach dem ersten Lockdown, erscheint mir dieses Buch relevanter denn je. Es erinnert uns daran, wie fragil vermeintliche Selbstverständlichkeiten sein können – und wie wichtig es ist, mit wachem Blick durch die Welt zu gehen.

Zugleich wirkt es wie eine stille Warnung. Die aktuellen politischen Entwicklungen in den USA, etwa der angekündigte Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation, sowie die nach wie vor restriktive Informationspolitik Chinas zur Corona-Pandemie werfen ein düsteres Licht auf mögliche zukünftige Krisen. Der Gedanke an eine neue Pandemie wirkt vor diesem Hintergrund beunruhigend real.

Hört gern rein in unsere Folge – vielleicht hilft euch dieses Buch genauso wie mir, die eigene Erinnerung wachzuhalten und einen neuen Blick auf diese besondere Zeit zu werfen.

Links / Zum Weiterlesen

Weitere Empfehlungen aus der Folge

Folgende Zusatzthemen habe ich in der Sendung angesprochen:

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