Schon länger wollte ich als Liebhaber der Fußballkultur mal wieder Richtung Ruhrgebiet (und darüber hinaus) fahren. Auf der Suche nach Stadionerlebnissen, nach Fanszenen und auch nach Relikten meines eigenen Fußballgedächtnisses. Wenn Ihr den Ballsport auch seit vielen Jahren verfolgt, dann wisst Ihr, was ich meine: Wir können uns doch alle erinnern, wo wir das 7:1 der Nationalelf gegen Brasilien (2014) gesehen haben? Oder die Niederlage aller Niederlagen, das 1:2 der Bayern gegen Manchester (1999)? Wie wär’s mit den legendären Spielen des VfB Stuttgart, wie das die Meisterschaft entscheidende 2:1 des VfB Stuttgart bei Bayer Leverkusen (1992) oder die unvergesslichen UEFA Cup Finalduelle gegen die SSC Neapel (1989)?
Wenn Du mit Fußball nichts anfangen kannst, habe ich Dich schon verloren, das steht fest. Ergo kann ich in diesem Bericht auch weiternerden, wenn es um das runde Leder geht. – Also, ein Fußballwochenende im Westen! Da kommt es gerade recht, dass dort, am Niederrhein, eben im äußersten Westen des Landes, mein Freund Thomas wohnt. Ihr kennt ihn schon, er ist glühender Anhänger von Borussia Mönchengladbach und hat unter anderem Verbindungen zum KFC Uerdingen und zu Werder Bremen. Seitdem er mich kennt, angeblich auch zum VfB Stuttgart. Vor allem dann, wenn die Borussia den Schwaben mal wieder die Punkte klaut… 😉
Aber natürlich ist Thomas auch mein Counterpart in der Fotobuch Plauder Ecke, unserer Podcast Serie, die wir seit einiger Zeit gemeinsam monatlich aufnehmen. Wir besprechen Fotobücher zu einem bestimmten Thema, aber das wisst Ihr natürlich schon. Und wenn Ihr die Folge 15 gehört habt, dann habt Ihr auch davon Notiz genommen, dass ich die Hörer:innen-Idee, eine Folge lang mal nicht über Fußball zu sprechen, ziemlich albern fand. Aber schließlich haben wir das durchgezogen und in der Folge 16 unser Lieblingsthema nicht angesprochen (ob wir das wohl geschafft hatten?).
Warum ich das schon wieder erzähle? Na, weil in Vorbereitung der Folge 17 ziemlich schnell die Idee aufkam, dass wir nun alles nachholen werden. Fußball, Fußball, Fußball. Und schon war klar: Thomas und ich treffen uns in seiner Heimat, wir geben uns die Dröhnung Fußball und nehmen auch gleich eine Podcast-Folge auf – zum Thema, mit zwei Fußballbüchern – aber das ist eine andere Geschichte…
Stop 1: Das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund
Vor knapp zehn Jahren wurde es eröffnet, das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund. Schon immer wollte ich dort einmal hin und mich ausgiebig diesem Museum widmen, mehrere Stunden verbringen. Da Thomas am Freitag noch arbeiten musste, habe ich mir einen frühen Zug gebucht und einen ausführlichen Zwischenstopp in Dortmund eingeplant, bevor ich dann am Nachmittag weiter nach Mönchengladbach reisen wollte.
Nun, von Hamburg nach Dortmund sind es normalerweise etwas mehr als zweieinhalb Stunden Zugfahrt. Mit fantastischen eineinhalb Stunden Verspätung komme ich an, es ist also schnell klar, dass der Besuch im Museum deutlich kürzer ausfallen muss. Nicht der beste Start ins Fußballwochenende, aber so habe ich im Zug auch ausreichend Zeit, noch einmal in alten Fußballgeschichten zu schwelgen…












Etwa zweieinhalb Stunden verbringe ich im Museum und bin schon ziemlich angezündet, was das Thema „Fußball“ angeht. Da es ein DFB-Museum ist, liegt der Schwerpunkt naturgemäß auf der Nationalmannschaft, der historische Vereinsfußball kommt etwas kurz. Ich bin natürlich auch auf der Suche nach Hinweisen zu Altona 93, zum ersten Superstar des deutschen Fußballs Adolf Jäger und zum zweitältesten deutschen Stadion, der Adolf-Jäger-Kampfbahn, in der Altona 93 noch immer spielt (lest hier mehr zu Altona 93 und auch meinem Fotoprojekt).
Es beckenbauert an jeder Ecke, Philipp Lahm ist allgegenwärtig und auch Uwe Seeler und Lothar Matthäus haben ausreichend Raum zum Wirken. Die Zahlen 54, 74, 90 und 2014 prägen die Ausstellung maßgeblich. Von Altona 93 und dem Stadion ist nichts zu sehen, Adolf Jäger findet keine Erwähnung. Eigentlich geht es nur um Altona als Austragungsort und Organisator der ersten Deutschen Meisterschaft im Jahr 1903. Und es gibt da dieses eine (sehr ansehnliche) Spielankündigungsplakat von Altona 93 gegen Werder Bremen.
Abgesehen davon: Das Museum weiß mich zu begeistern. Zweieinhalb Stunden haben nicht ausgereicht, auf der anderen Seite ist meine Aufnahmekapazität danach auch ausgeschöpft, und so setze ich mich zufrieden in den Zug nach Mönchengladbach.
Stop 2: Roda Kerkrade vs. Alkmaar AZ Jong / II (3:3)
Dort holt mich Thomas fast direkt am Bahnhof ab und wir fahren direkt ins holländische Kerkrade. Es ist schon dunkel, aber irgendwo stehen die ganzen Bagger der Abbaugebiete und ich muss mir eingestehen, dass ich noch nie in dieser Gegend war, also das, was man so ganz grob „den Niederrhein“ nennt. Die Nähe zu den Niederlanden und zu Belgien auf der einen Seite, aber das Ruhrgebiet auf der anderen Seite und Köln und Düsseldorf gibt es ja auch noch … Thomas wird nicht müd, mir Nachhilfeunterricht in Sachen Geographie zu geben. Nur die Zeit reicht dafür nicht aus, viel zu schnell sind wir am knapp 20.000 Zuschauer fassenden Parkstad Limburg Stadion.
Nun, Fußball in Holland, das ist für mich neu und so kann ich heute gleich zwei Groundhopperpunkte meinem Konto gutschreiben und schraube es damit auf 59 Punkte. … Groundwas fragst Du vielleicht?
Groundhopping ist ein beliebtes Hobby unter Fußballfans, bei dem es darum geht, möglichst viele verschiedene Stadien weltweit zu besuchen und dort Spiele live zu erleben. Punkte erhält ein Groundhopper, wenn er ein offizielles Spiel in einem Stadion gesehen hat, wobei in der Regel die ersten fünf Ligen eines Landes als anerkannt gelten. Abseits des Punktesammelns geht es jedoch auch darum, die Atmosphäre, lokale Fankultur und einzigartige Stadioneindrücke zu genießen – ein Erlebnis, das weit über das reine Fußballspiel hinausgeht.






Und genau das erleben wir hier: Fankultur in Kerkrade, während die heimische Roda heute gegen AZ Jong, also die Jugendmannschaft / zweite Vertretung des AZ Alkmaar spielt. Die Karnevalsprinzen eröffnen das Spiel, wir beißen in eine Frikandel und mit uns warten noch weitere 6.539 Zuschauer auf ein spannendes Zweitligaspiel.
Es ist immer wieder ein Hin und Her, wir sehen insgesamt sechs Tore, die Mannschaften teilen sich die Punkte – ergo 3:3. Das Spiel hat Lust auf mehr gemacht, und das Stadion sowieso. Ein echtes Schmuckkästchen, was in Kerkrade steht – eigentlich viel zu schade für die zweite Division.
Stop 3: KFC Uerdingen vs. SV Rödingshausen 0:0
Am Samstagmorgen treffen wir uns bei Thomas um die neue Folge der Fotobuch Plauder Ecke aufzunehmen. Davor schon lerne ich die niederrheinische Gastfreundschaft kennen, im Familienkreis frühstücken wir und lassen sowohl das bisher Gesehene Revue passieren, besprechen aber auch die kommenden Duelle. Erst geht es zum KFC Uerdingen, anschließend fahren wir weiter zur Borussia Mönchengladbach. Wir sehen also die beiden Herzensvereine von Thomas an einem und demselben Tag.
Anstoß im Grotenburg-Stadion ist um 14 Uhr. Schon der erste Blick entzückt mich. Haltet mich für bekloppt, aber das ist eines der schönsten Stadien, in denen ich bisher war. Natürlich, weil hier Fußballgeschichte geschrieben wurde – ich denke natürlich an das „Wunder der Grotenburg“ im Jahr 1986. Oft als Jahrhundertspiel betitelt: das legendäre 7:3 von Bayer 05 Uerdingen gegen Dynamo Dresden (hört Euch unbedingt diese Podcastfolge dazu an). Aber auch die Reminiszenz an den alten Fußball, dieses 1980er-Jahre-Gefühl, das jede:n Besucher:in hier beschleicht.
Natürlich muss ich das festhalten, nicht zuletzt auch, weil keiner weiß, wie lange hier überhaupt noch gespielt wird. Das Stadion ist mehr als marode, und ein Großteil der Tribünenplätze wird aus Sicherheitsgründen (aber auch mangels Nachfrage) gar nicht geöffnet. Um den KFC selbst sieht es noch düsterer aus. Wie es weitergeht im Wirrwarr der zahllosen Insolvenzverfahren, das weiß wohl niemand. Es ist spürbar, dass der Verein klamm ist: Beim Frikadellenverkauf wird für die Jugendtrikots gesammelt („Eine Frikadelle mit Brötchen zwei Euro, und wenn Ihr wollt, gebt gerne noch was dazu für die Trikots!“). Kurz vor Anstoß tragen Vereinsverantwortliche die eingenommenen Gelder in schweren Kassen in den Bauch des so wunderschönen Stadions.












Wir schauen heute Viertligafussball, der Gegner ist der SV Rödingshausen. Drei Punkte wären extrem wichtig – für die Moral, vor allem im Kampf ums sportliche und wirtschaftliche Überleben. 1.980 Zuschauer finden sich in der Grotenburg ein, hinzu kommt noch der Grotifant, das Maskottchen der Uerdinger. Was ein Elefant mit dem Stadion und dem angrenzenden Zoo zu tun hat, das erzählt Thomas in unserer Podcastfolge – hört dazu gerne mal rein! (in Vorbereitung)
Irgendwann in der zweiten Halbzeit treffen beide Mannschaften innerhalb weniger Minuten das Torgehäuse, ansonsten ist das Spiel relativ ereignisarm. Weder die Anfeuerbemühungen des Grotifanten noch die eindrücklichen Fangesänge des Uerdinger Anhangs können daran etwas ändern. Der KFC muss am Ende noch dankbar sein, diesen einen Punkt gerettet zu haben.
Was bleibt, ist ein echtes Retro-Stadionerlebnis und eine richtig gute Stadionwurst. Ich muss schon zugeben: In die Grotenburg habe ich mich echt verliebt…
Stop 4: Borussia Mönchengladbach vs. Eintracht Frankfurt 1:1
Am Ende jeder guten Story folgt das Highlight. Und so auch an diesem Fußballwochenende im Westen Deutschlands. Von Uerdingen sind wir mit dem Auto in einer dreiviertel Stunde am Bökelberg … äh nein, am Borussiapark. Schon seit Wochen verwechsele ich ständig das alte Stadion mit der neuen Arena. Und hier war ich noch nie, also werde ich meinen 61. Groundhopperpunkt einloggen dürfen.
Thomas ist schon richtig aufgeregt, klar, es ist seine Borussia. Die kommt durchaus mit einem guten Lauf an, immerhin wurden jüngst erst Punkte aus Stuttgart entführt. Grund genug, um auf einen Sieg gegen die stark aufspielende Eintracht aus Frankfurt zu hoffen.





Nun, um das Sportliche vorwegzunehmen: Als Tim Kleindienst das 1:0 schießt, stehe ich in der Bierschlange. Von dort springe ich einmal zum Wurststand. Es geht ja schon ziemlich schnell, bis ich alles bekomme und auch im Block bin ich ziemlich schnell. Und als ich gerade die kostbare Gabe an Thomas gereicht habe und ich in meine Wurst beiße, da trifft Ekitiké zum Ausgleich. Und dabei bleibt es, ein gerechtes Unentschieden, was aber etwas schmerzt. Denn da wäre durchaus mehr drin gewesen.
Das Erlebnis im heute mal wieder ausverkauften Stadion ist aber das eigentliche Highlight gewesen. Thomas hat uns zwei Stehplätze organisiert und wir sind auf der Hintertortribüne, aber ganz links auf der Höhe der Seitenlinie. Das garantiert einen sehr guten Blick, aber auch etwas Distanz vom dicksten Gedrängel im Ultrablock. Hier wird geschnackt, was das Zeug hält. Erneut merke ich, was es mit dieser niederrheinischen Mentalität auf sich hat. Ich weiß nun, wie viele Urinale von welcher Firma im Borussiapark installiert wurden, ebenso wie sich der Vergleich zum alten Bökelberg anfühlt. Wo Berti Vogts wohnt und dass der Ex-Bundestrainer jeden Tag für einen Plausch zur Verfügung steht. Was ich aber auch mitnehme, ist ein tief verwurzelter Glaube, weit verbreitet hier in Mönchengladbach und in der gesamten Region:
Ja wir schwören Stein und Bein
Auf die Elf vom Niederrhein
Borussia, unser Dream-Team,
Denn du bist unser Verein!
Manchmal gibt es gar nicht mehr so viel hinzuzufügen. So auch zu diesem erlebnisreichen Fußballwochenende. In etwas mehr als 24 Stunden haben wir drei Spiele besucht. Und dazwischen reichlich über die schönste Nebensache der Welt gefachsimpelt.
Rückblick: Ein Wochenende voller Erinnerungen
Zurück in Hamburg, denke ich an die vielen Eindrücke, die sich im Laufe der zwei Tage angesammelt haben: Die emotionale Reise durch das Deutsche Fußballmuseum, die intensive Atmosphäre im Parkstad Limburg Stadion, die nostalgischen Momente in der Grotenburg und das Highlight im Borussiapark. Jeder Stopp hatte seinen eigenen Charakter, seine eigene Geschichte – wie ein Fußballspiel mit Höhen und Tiefen. Drei Unentschieden in drei Spielen. 4:4 Tore.
Es war mehr als nur Groundhopping. Es war eine kleine Zeitreise, die mich daran erinnert hat, warum ich diesen Sport so liebe: Nicht nur wegen der Spiele, sondern wegen der Menschen, der Geschichten und der Orte, die Fußball zu dem machen, was er ist. Gerne davon auch den weniger kommerziellen Teil rund um das runde Leder. Und das Beste daran? Es gibt noch unzählige Stadien, die darauf warten, entdeckt zu werden.

Ein großes Dankeschön an Dich, Thomas und Deine Familie für die Gastfreundschaft und die perfekte Planung dieses Wochenendes. Es hat einfach alles gepasst – vom gemeinsamen Frühstück bis hin zur Stimmung im Borussiapark.
Und natürlich freue ich mich schon riesig darauf, wenn wir die Fußballfolge unseres Podcasts bald veröffentlichen. Dort werden wir all diese Eindrücke noch einmal lebendig werden lassen und vielleicht sogar die eine oder andere Anekdote ergänzen. Seid gespannt!
Sehr schöner Bericht. Das ist wie wenn ich dabei gewesen wäre. Amateurfußball ist was feines, hoffentlich schaffe ich es auch mal in die Grotenburg. Viele Grüße von Till
Danke sehr. Das Grotenburg Stadion hat mich wirklich sehr begeistert!!!
@Till: Dann beeil ich Dich, ich bin mir nicht sicher, ob im kommenden Jahr noch Fußball in der Grotenburg zu sehen ist.
@ Florian: Vielen Dank für Deinen Besuch hier bei uns, dass Wochenende hat mir viel Spaß gemacht!
Gruß
Thomas