Neapel – eine Stadt wie keine Andere!

Drei volle Tage in Neapel, zwei davon direkt vor der Schneeschuhwanderung am Monte Pollino, einen direkt danach. Pizza Napoli, Diego Maradona und der Vesuv – all das, was man von Neapel erwarten würde, haben wir auch gesehen, aber eben auch noch so vieles mehr. Kurz gesagt: Neapel ist ein absolutes Paradies für die Street Photography.

Diese Stadt ist in vielerlei Hinsicht so völlig anders als die italienischen Städte, die ich bisher gesehen habe. Mailand, Venedig, Turin, Pisa und Rom – sie alle habe ich so „italienisch“ wahrgenommen, ja sie haben mein Bild von italienischen Großstädten geprägt. Als wir in Neapel ankommen und das erste Mal durch die Straßen fahren, erkenne ich von „meinem italienischen Stadtbild“ fast gar nichts mehr. Denn Neapel ist ganz anders.

Neapel, am Hauptbahnhof. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400
Neapel, am Hauptbahnhof. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400

Neapel wirkt erst einmal südeuropäisch, ja sogar mit afrikanischen oder arabischen Anleihen. Norditalienische Pracht wird abgelöst von südlichem Durcheinander. Neapel ist chaotisch, lebendig, undiszipliniert und doch so faszinierend. Und mittendrin die Neapolitaner. So freundlich, so offen und so herzlich.

Echte Sehenswürdigkeiten gibt es nicht. Okay, natürlich Pompeji und der Vesuv. Und die Amalfiküste. Aber in Neapel selbst? Die Reiseführer berichten von der Unterwelt der Stadt, der „Napoli Sotterranea“. An mehreren Eingängen bekommt man Zutritt zu dieser vielen Kilometer zählenden Anlage von Gängen und Kellern. Ansonsten gibt es noch die Festung, von der man einen tollen Blick auf die Stadt, den Vesuv und den Golf von Neapel hat (dazu am Ende mehr). Und das wars auch schon.

Mitten drin in Neapel. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400
Mitten drin in Neapel. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400

Warum nun Neapel?

Warum sollte man denn nun nach Neapel reisen, wenn im Vergleich zu anderen italienischen Städten so wenig geboten wird? Die Antwort ist so einfach: Weil in Neapel nicht die Bauwerke, sondern eben die Menschen die Attraktion sind. Weil sie wie Ameisen durch ihren Bau wuseln. Zu Fuß, in ihren Autos und auf ihren Mofas. Und damit ist die Stadt in quirligstem Zustand, ganz egal zu welcher Uhrzeit.

Es ist nicht die Ausflugsstadt für Familien. Es ist auch nicht die Destination der Kulturliebhaber:innen oder der Genießer:innen. Neapel ist das Ziel aller, die eine Kultur wirklich aufsaugen wollen. Und sich darauf einlassen, in diesem großen Fluß mitzuschwimmen. Gerade zu perfekt für Liebhaber:innen der Street Photography.

Neapel. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400
Neapel. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400

Wir nehmen unsere Kameras, bei mir ist es die analoge Minolta CLE (mehr dazu hier) und die von der Leica Akademie Deutschland ausgeliehene M10-R, und mischen uns in das Altstadtgetümmel. Weil Februar ist und Corona immer noch vorherrscht, sind wir zwei – zumindest gefühlt – die einzigen Touristen. Mit unseren unauffälligen Kameras fallen wir vielen Neapolitaner:innen erst beim zweiten oder dritten Blick als Fremde auf. Und werden ganz schnell zu Freunden.

Hier ein Schnack, da eine nette Geste. Die Einheimischen freuen sich und posieren für unsere Fotos was das Zeug hält. Ziemlich schnell haben wir auch die non-verbale Kommunikation drauf, der gehobene Daumen gilt gleichzeitig als Posiergeste (von den Fotografierten) wie auch als Dankeschön (von uns Fotografen).

Stolzer Fischhändler im Quartieri Spagnoli in Neapel. Leica M10R mit Leica Summilux 21mm F1.4
Stolzer Fischhändler im Quartieri Spagnoli in Neapel. Leica M10R mit Leica Summilux 21mm F1.4

Das funktioniert bei vorbeifahrenden Mofafahrer:innen ebenso gut wie bei den verschiedenen handelnden Menschen. Ob an den Restaurants, an den Fischständen oder einfach im Café, die Verkäufer:innen sind so charmant, aber auch so authentisch und so nett. Vermutlich freuen sie sich über Jede und Jeden, der diese Stadt besucht.

„Herr und Hund im Auto“ und das Making Of

Ein besonders schönes Beispiel ist für mich der Neapolitaner mit seinem Hund auf dem Beifahrersitz. Ich habe einmal kurz gegrüßt und hebe die Kamera ans Auge. Er hält für mich an und zeigt sein stolzestes Lächeln. Damit habe ich sein okay abgeholt. Ich muss „nur“ noch scharf stellen, die Belichtung checken, das Bildmotiv final abschliessen und abdrücken.

Eine ganz typische Neapel Aufnahme: Herr und Hund im Auto. (Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400)
Eine ganz typische Neapel Aufnahme: Herr und Hund im Auto. (Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400)

Das Herrchen ist glücklich, der Hund hoffentlich auch und ich bin es sowieso. Mit erhobenen Daumen sage ich danke. Und schon fährt der Herr weiter.

Es ist der prototypische Ablauf. Ein kurzes Okay einholen, Knipsen und „Grazie Mille“ sagen. Und schon steht an der nächsten Ecke das nächste Motiv. Questa e Napoli!

Vom größten Fußballspieler aller Zeiten

Und natürlich ist da noch die neapolitanische Liebe zu Diego. An jeder Ecke finden sich Gemälde und Reminiszenzen an den wohl größten Fußballer aller Zeiten, zumindest aus meiner Sicht. Ich war noch keine zwölf Jahre alt, als Diego Maradona mit dem SSC Neapel gegen „meinen“ VfB Stuttgart im UEFA Pokal Finale spielte. Meine erste Erinnerung an Neapel geht zurück auf das Hinspiel im Stadio San Paolo als der beim VfB spielende schwäbische Italiener Maurizio Gaudino das 1:0 markierte und er in Neapel zum heimlichen Star des Spiels wurde. Im Rückspiel in Stuttgart zog Maradona schließlich alle Register, seine Ballartistik beim Aufwärmtraining ist legendär. Neapel wurde schließlich UEFA Pokal Sieger und ich Fan von Diego Maradona.

Wohin man auch blickt: Neapel ist voll von Diego. Minolta CLE und Leica Summicron 28mm F2 auf Kodak Ektar 100
Wohin man auch blickt: Neapel ist voll von Diego. Minolta CLE und Leica Summicron 28mm F2 auf Kodak Ektar 100

Im Quartieri Spagnoli, an der Kreuzung von Vico Concordia und Via Emanuele de Deo, findet sich eine Diego Maradona Gedenkstätte. Hier ziert ein übergrosses Maradona Gemälde eine Wand, an der eigentlich ein Haus stehen sollte. Die komplette Fläche wurde nun freigelassen und dient heute als Erinnerung an den größten Star Neapels („Murales Maradona“ bei Google Maps).

Diego spielt immer und überall eine Rolle. Schön ist das auch in der auf Netflix verfügbaren folgenden Geschichte zu sehen. Man kann es im armen Neapel einfach nicht fassen, dass der so große Diego Maradona vom FC Barcelona zum SSC Neapel kommen könnte. Nein, eigentlich geht es in „Hand of God“ um eine ziemlich strange verfilmte Geschichte einer neapolitanischen Familie. Trotzdem schwingt eben auch hier Diego immer mit. Und gibt dem Film auch folgerichtig seinen Titel.

Pizza, Pizza, Pizza in Neapel

E naturalmente. Wer nach Neapel reist weiss: Hier gibt es die beste Pizza der Welt. Wir haben ständig davon gekostet. Nicht nur die klassische Neapolitana, wir waren auch begeistert von der Pizza Fritta, zum Beispiel an der Vico Conte di Mola. Gefüllt mit dem Blattkohlgemüse Spigariello Napoli.

Am Pizzaofen der L'Antica Pizzeria da Michele in Neapel. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400
Am Pizzaofen der L’Antica Pizzeria da Michele in Neapel. Minolta CLE und Leica Summilux 28mm F1.4 auf Ilford Delta 400

Wenn man im Leben nur einen Tipp überhaupt benötigen würde, dann wäre es dieser eine hier. Vergiß die Pizza Tipps, die in den Reiseführern stehen. Natürlich sind die Pizzen bei da Michele oder di Matteo auch großartig (sagte ich nicht, wir haben sie alle probiert?).

Aber die besten Pizza meines Lebens (!) habe ich hier gegessen, bei 1906 Imperatore Pizzeria, und natürlich war es eine Pizza Napoli! (Direkt gegenüber ist übrigens ein Fotostudio, in dem ständig maskierte Menschen ein- und ausgehen, ein köstlicher Fotospot für wirklich skurille Street Photography Motive!).

Dieses eine Postkartenbild – das gibt es auch in Neapel

Ja, Neapel ist wild und dreckig und authentisch. Aber dieses eine Motiv, wirst Du einräumen, das muss es doch auch noch geben? Dieser Ausblick auf den Vesuv, wo ist der denn? Der Postkartenfotospot von Neapel?

Ja, einen Einzigen gibt es davon! Dazu steigst Du in eine der Schrägseilbahnen und fährst hoch auf die Festung. Für ein paar Euro Eintritt darfst Du auch auf die Festungsmauer und von dort einen wunderbaren Ausblick genießen.

Blick von der Festung von Neapel: Leica M10R mit Leica Apo Summicron 35mm (mit Verlaufsfilter, Langzeitbelichtung 45 Sekunden)
Blick von der Festung von Neapel: Leica M10R mit Leica Apo Summicron 35mm (mit Verlaufsfilter, Langzeitbelichtung 45 Sekunden)

Natürlich sieht es wunderschön aus, wie der Vesuv hinter der Stadt thront und wie der Blick übers Mittelmeer schweift. Aber hey, Du wirst merken, das ist nicht das Neapel, das dort unten in den vielen Straßen pulsiert. Das ist nur die kleine Postkartenausgabe der drittgrößten Stadt Italiens. Dieser völlig anderen und so wunderbaren Stadt!

Bilder aus Neapel

Epilog

Einen Stadtrundgang durch Neapel kann man auch mit Roy Bianco und den Abbrunzati Boys machen. In ihrem aktuellen Welthit „Bella Napoli“ werden wir einmal durch die Altstadt von Neapel geführt … 😉

7 Gedanken zu „Neapel – eine Stadt wie keine Andere!“

  1. Dank Dir, lieber Florian, für die authentischen Bilder und den beschwingten Kommentar! Leider war ich noch nicht dort! Ich hätte alle Fotos in Farbe aufgenommen, das brodelnde leben verlangt doch danach!
    Gruß Volker

    Antworten
    • Lieber Volker, herzlichen Dank für Deinen Kommentar! Ich hatte bei der Auswahl der Filme immer zwischen Farbe und Schwarzweiss geschwankt. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich beide Varianten probiert habe. Und ich gebe Dir recht, beim nächsten Neapel Besuch würde ich mehr Farbfilme einpacken! Viele Grüße, Florian

      Antworten
  2. Guten Morgen Herr Renz,
    mit großem Interesse habe ich Ihre Bilder und die dazugehörigen Anmerkungen angeschaut bzw. gelesen. Sie zeigen einmal mehr, dass es offensichtlich ein Neapel jenseits des beeindruckenden Roberto Saviano gibt.
    Ich erspare es mir und Ihnen, jedes einzelne der tollen Fotos zu kommentieren, nur bei der „Postkartenidylle“ kann ich mich nicht zurückhalten. Sie schreiben, dass Sie einen „Verkaufsfilter“ benutzten. Können Sie vielleicht mit näheren Angaben zu diesem mir bisher unbekannten Equipment dienen?😂
    Grüße
    Wolfgang Gerlach

    Antworten
    • Lieber Herr Gerlach, ganz herzlichen Dank für Ihren charmanten Kommentar. Ich musste natürlich sehr schmunzeln, danke für den Hinweis zum „Verkaufsfilter“, der ab sofort „Verlaufsfilter“ heißt 😉
      Beste Grüße,
      Florian Renz

      Antworten

Schreibe einen Kommentar