Eine Übersicht zu Bildbänden und Fotobüchern rund um die Corona-Pandemie

Covid19 bedeutet für uns alle einen tiefen Einschnitt. So stark wie wir es uns vor 2020 gar nicht hätten vorstellen können. Für Fotografen boten sich indes vor allem im ersten Lockdown ganz eigene Kulissen: menschenleere Städte, Einsamkeit und Ruhe, egal wohin man schaute (und fotografierte).

Daraus sind erwartungsgemäß viele Fotoprojekte entstanden – schließlich zeigte sich die wohl heftigste Veränderung unserer Innenstädte der letzten 70 Jahre. Die Dokumentation der Leere, auch der Unsicherheit und der sozialen Distanz hat aber Fotografen auch vor die Frage gestellt: „Wie hält man die Leere fest“?

Die Kunst bei diesen Projekten ist es nämlich zu verdeutlichen, dass die Aufnahmen auch wirklich während der Pandemie entstanden sind. Ein leerer Straßenzug bei Nacht kann schließlich auch vor oder nach Corona leer gewesen sein – ganz einfach weil es eben auch mal so „leer“ sein kann. In meinem eigenen Projekt habe ich versucht mit Texten zu arbeiten, die genau das Gegenteil beschreiben, nämlich den „Normalzustand“. Ich wollte wissen, wie andere Fotografen mit dieser Herausforderung umgegangen sind. Und welche Städte generell im Fokus der Corona Fotografie gestanden sind – oder noch stehen.

Ehrlich gesagt war es gar nicht so leicht eine Übersicht über die existierenden Corona Projekte zu erstellen. Hamburg scheint mir hierfür ein Zentrum zu sein, zumindest habe ich in meiner Stadt die meisten Bildbände und Fotodokumentationen finden können. Wenn Du noch weitere Projekte kennst, schreibe es gerne unten in die Kommentare.

Im Folgenden findest Du eine Kurzübersicht mit Umfang, Preis und Link zu weiteren Informationen – alphabetisch sortiert nach den aufgenommenen Städten (bzw. Regionen / Länder). Aufgenommen habe ich nur Projekte, deren Ergebnisse in Buchform erschienen sind.

(Preise und Angaben nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Änderungen können natürlich vorkommen)

Deutschland

„Lockdown Braunschweig: Der etwas andere Bildband“ (Braunschweig)

Sehenswürdigkeiten als Lost Places aufnehmen. Ganz explizit das Motto von Stefan Schröder, der sich in Braunschweig auf den Weg gemacht hat. Seine Taschenbuchausgabe gibt es schon seit Anfang Juni 2020.

„Stand der Dinge – Corona Krise 2020“ (Berlin & Hamburg)

Das Magazin zur gleichnamigen Ausstellung. Die vier namhaften Street-Fotografen Siegfried Hansen, Bastian Hertel, Marco Larousse und Martin U Waltz zeigen ihre Sichtweise auf die Corona Pandemie mit Aufnahmen aus Hamburg und Berlin. Die Vernissage kann auf YouTube hier angeschaut werden. Sehr lohnenswert.

„Dresden im Lockdown: Eine ruhiggestellte Stadt“ (Dresden)

Via epubli hat Veit Schagow einen Bildband über das Herunterfahren in Dresden herausgebracht. Seine Grundfrage lautet: „Was bleibt, wenn man die Menschen aus einer Stadt herausnimmt?“.

„Frankfurt am Main in Corona-Zeiten: eine liebenswerte Stadt“ (Frankfurt)

Klaus-Dieter Thormann zeigt seine Spaziergänge durch Frankfurt während des Lockdowns im Frühjahr 2020. Er arbeitet dabei die Schönheit der Stadt heraus und bindet den Zusammenhang zwischen Stadtplanung und Infektionsverbreitung ein.

„CO-RO-NA: 19 Autorenbeiträge zu Covid-19“ (Frankfurt)

Kein Bildband, aber illustriert mit Aufnahmen der Frankfurter Fotografin Anna Meuer aus ihrer Corona Serie „Ohne Worte“. Einen FAZ Beitrag verlinke ich hier.

„Corona Nights Hamburg“ (Hamburg)

Tim Oehler hat einen wirklich dicken Bildband über die Pandemie in Hamburg zusammen gestellt – ausschließlich anhand von Nachtaufnahmen. Nach meinem Empfinden ist es der in Hamburger Buchhandlungen präsenteste Bildband und mit 208 Seiten auch das umfangreichste Projekt.

„Streets of Corona“ (Hamburg)

Lukas Ellerbrock hat sich ebenfalls in Hamburg aufgemacht, den Lockdown zu dokumentieren. Seine Sammlung besticht durch einen eignen, aber sehr charakterstarken Farblook, der sich durch das komplette Projekt zieht. Beeindruckende Aufnahmen, die via Crowdfunding realisiert wurden.

„Hamburg & Corona. Als nicht nur an der „Elphi“ das Licht ausging“ (Hamburg)

Vermutlich das erste Werk, das schon den zweiten Lockdown berücksichtigt. Michael Björson dokumentiert die Hansestadt.

„A Strange Spring. Ein Seltsamer Frühling“ (Hamburg)

Den Hamburger Alltag hat Larissa Pychlau in diesem Zine dokumentiert. Sie nennt es ein visuelles Tagebuch. Ich möchte es an dieser Stelle ausdrücklich empfehlen. Es ist für mich das schönste Stück Erinnerung an den Hamburger Lockdown. Sehr empfehlenswert ist auch ihr Instagram Kanal.

„Schluss mit Lustig. St. Pauli im Stillstand“ (Hamburg)

Michael Pasdzior führt den Leser durch die Hamburger Szeneviertel St. Pauli, Schanze und Karoviertel. Eine umfangreiche Dokumentation im handlichen Format, die ich Euch gerne empfehle.

„Lockdown Hamburg. Stille. Leere. Hoffnung.“ (Hamburg)

Der Vollständigkeit halber ergänze ich in dieser Liste meinen eigenen Bildband. Ein Spaziergang durch das Hamburg im März und April 2020.

„Eine Stadt im Spiegel der Zeit“ (Illertissen)

Die bayrisch-schwäbische Kleinstadt Illertissen wurde von Ute Eiselt in Szene gesetzt. Ein Stadtführer im Corona Style. Erschienen bei BoD.

„Die leise Zeit“ (Langeoog)

Lockdown auf der Nordseeinsel Langeoog? Das bedeutet leere Strandkörbe und geschlossene Cafés. In Monochrom gehalten hat der Insulaner Deff Westerkamp die Pandemie festgehalten. Auf seiner Website kann ein virtueller Blick in den Bildband geworfen werden.

Österreich

„Ischgl“ (Ischgl)

Kein Lockdown Bildband im eigentlichen Sinne, aber nicht weniger lesenswert. Lois Hechenblaikner dokumentiert den Skiort Ischgl als einer der Hotspots in der Verbreitung von Corona in Mitteleuropa. In einer Sammlung von Lockdown Büchern müsste dieser Bildband am Anfang stehen. Ein lesenswerter Artikel aus dem Harzkurier.

„Wien im Lockdown – einzigartige Fotografien. Zwischen Stillstand und Hoffnung“ (Wien)

Eine äußerst gelungene Dokumentation des Lockdowns in der österreichischen Hauptstadt haben der Historiker Marcello La Speranza und der Fotograf Lukas Arnold publiziert.

„Wien bei Nacht – zwischen Lockdown und Terror“ (Wien)

Neben der Corona Krise hat Wien ein zweites Mal einen Ausnahmzustand aushalten müssen. Der Terroranschlag vom 2.11.2020 ist ebenso Teil der Dokumentation wie der Lockdown selbst. Fotografiert von Nikolaus Mautner Markhof. Ein Bericht mit Bildern dazu hier.

„Lockdown: Vienna Nights in the Time of Corona“ (Wien)

Danny LoCasio hat Wien in Schwarz-Weiss abgebildet. Nachts hat er die Leere der österreichischen Hauptstadt dokumentiert – in Zusammenarbeit mit Home Town Media.

„Stille Stadt: Wien und die Corona‐Krise“ (Wien)

Erschienen im Falter Verlag haben Autor Peter Payer und Fotograf Christopher Mavrič das Buch „Stille Stadt“ herausgebracht. Sie bezeichnen sich beide als „Stadtflaneure“, eine ausführliche Buchpräsentation gibt es hier bei YouTube.

Schweiz

„Abgeriegelt“ (ganze Schweiz)

Nicht eine Stadt sondern das ganze Land hat Sven Sulzer dokumentiert. Besser gesagt die verriegelten Grenzübergänge zu den Nachbarländern. Mein Fotofreund Frank hat mich überrascht und mir eine signierte Ausgabe davon geschenkt (1000 Dank!). Klare Empfehlung!

„Lockdown“ (Zürich)

Alex Lörtscher hat die Einsamkeit in der Schweiz, vornehmlich in Zürich fotografiert. Ein Interview mit dem Fotografen dazu gibt es hier.

Weltweit

„Bordeaux confiné 2020 1.0“ (Bordeaux)

Komplett in Schwarz-Weiß gehalten ist der Bildband von Arnaud Brukhnoff über die französische Stadt Bordeaux. Die Essenz des Buches ist eine Vision von Bordeaux ohne menschliche Präsenz – bedingt durch die Ausgangssperren im Frühjahr 2020. Von jedem Buch gehen 2 Euro an das Uniklinikum Bordeaux.

„Bus Response“ (London)

Dougie Wallace hat seine ganz eigenen Covid19-Momente in Londons roten Bussen festgehalten. Sein Bildstil ist knallig und kontrastreich und sein Bildband kommt in einem riesigen Format von etwas mehr als A3 daher, gebunden als Ringbuch. Es sind nicht leere Plätze, die Corona transportieren, sondern „maskierte“ Alltagssituationen in Londons prominentestem Verkehrsmittel. Ein schöne Bildstrecke dazu gibt es im The Guardian (mit englischen Erklärungen).

„Pause: London in Lockdown“ (London)

Das Lockdown Projekt von Jan Enkelmann gehört zu meinen Lieblingsprojekten rund um die Corona-Dokumentationen. Mit seinem Fahrrad war Jan zwischen März und Mai in London unterwegs. Die Aufnahmen sind klasse, aber auch die Gestaltung des Bildbandes ist äußerst gelungen.

„London in Lockdown“ (London)

Namentlich fast identisch mit dem Bildband von Jan Enkelmann, aber nur fast. Auf 46 Seiten präsentiert Wayne Howes seinen Eindruck von der Covid19 Pandemie in der britischen Hauptstadt.

„London in Lock-down“ (London)

Um den Londoner Namenswirrwarr komplett zu machen: Hier unterscheidet sich der Titel nur durch den Bindestrich. Joanna Fox ist Mitarbeiterin im Gesundheitssystem („National Health Service“) und berichtet somit aus ihrer etwas anderen Sicht von der Pandemie.

„Anthropause 2020“ (Los Angeles)

Auf 38 Seiten zeigt Oliver Gaspirtz den Lockdown in Los Angeles. Supermärkte, Parks, Straßenzüge – alles for free. Zu Lesen via Kindle oder Kindle App.

„Still“ (New York)

60 Tage lang ist John Midgley durch New York gefahren und hat den Lockdown im Frühjahr 2020 festgehalten. Klickt auf seine Website, vielversprechende Previews sind dort zu sehen.

„Paris Lockdown“ (Paris)

Komplett in Schwarzweiss ist dieses Buch von Fred Di Girolamo schon im Juli 2020 erschienen. Der Gewinn wird vollständig an die Abbé Pierre-Stiftung gespendet.

„Paris Silence“ (Paris)

Äußerst opulent und umfangreich dokumentiert Stéphane Gizard die französische Hauptstadt. Im Vorwort wird ein Vergleich zur Ruhe und Einsamkeit während der deutschen Besatzung vor 80 Jahren gezogen.

„View Point“ (Paris)

Thomas Lohr und Olu Odukoya haben Street Photography in Paris festgehalten. In einem wunderschönen Bildband. Ein Interview mit den beiden zum Projekt gibt es in der Vogue.

„Das leere Venedig: Ein Sehnsuchtsort in der Zeitenwende“ (Venedig)

Die Kanäle von Venedig hatten es immer wieder in die Medien geschafft, endlich waren die Kanäle wieder einmal sauber. Danilo Reato hat die Stadt in der Leere dokumentiert. Ich kann mir kein Urteil bilden über die Arbeit, die Rezensionen auf Amazon sind indes wenig vielversprechend. Update 28.03.2021: Ich kann mir inzwischen ein Urteil bilden. Dazu unten in der Fußnote (1) mehr.


Abschließend möchte ich noch auf das Buch „Stille Städte“ hinweisen. Quasi eine Sammlung von Corona Eindrücken aus 60 Städten (Amazon Affiliate Link, 192 Seiten, 19,90 Euro).

Du kennst weitere Buchprojekte, die hier noch fehlen? Hinterlasse Deinen Kommentar, ich ergänze diese Übersicht gerne!


Trailer und Videos zu Corona Bildbänden

Trailer zu „Lockdown Braunschweig“
Trailer zu „Streets of Corona“
Das Magazin zum Projekt „Stand der Dinge“
https://www.youtube.com/watch?v=wkxxpgjRR-k
Ein Bericht des Bayrischen Rundfunks über den Bildband „Ischgl“
Trailer zu „Pause. Lockdown in London“
Crowdfunding Video zu „Still“
Trailer zu „Lockdown Hamburg“ 1/2
Trailer zu „Lockdown Hamburg“ 2/2

Fußnoten

(1)

Update 28.03.2021: Der Verleger des Buches „Das leere Venedig. Ein Sehnsuchtsort in der Zeitenwende“ hat mir ein Exemplar zugesendet. So kann ich mir nun ein eigenes Urteil bilden, das ich in dieser Fußnote kurz nachholen möchte. Das Buch kommt im A5 ähnlichen Format daher und fühlt sich in der Hardcover Version wertig an. In den Amazon Rezensionen wird das Buch ja förmlich zerrissen und ich muss einwenden, dass dies nicht wirklich fair ist.

Man mag die Art der Fotografie als wenig künstlerisch einstufen, ja. Man mag auch die Technik der Fotografie kritisieren, denn weder sind Horizonte korrigiert, noch wurde darauf geachtet, ob Weisswerte ausfressen oder nicht. Und man kann sicherlich auch geteilter Meinung darüber sein, ob das Layout zeitgemäß ist oder nicht. Was außer Frage steht, dass mit dem Buch ein Werk von höchstem zeitgeschichtlichen Wert entstanden ist. So wird Venedig nicht mehr zu sehen sein. Danilo Reato hat damit etwas geschaffen, was mehr als nur eine Daseinsberechtigung hat. Punkt.

Die eigentliche Stärke des Buches ist aus meiner Sicht aber der Text. Der Leser wird in das Venedig der Corona Pandemie direkt hineinversetzt. Man spürt förmlich den Frust der Venezianer. Gefangen zwischen völlig neuen Ansichten und dem ausbleibenden Tourismus, der für die Stadt existentiell ist. Wer den Text liest, der blickt mit neuer Perspektive auf die folgenden Bilder. Und so hat mich der Bildband „Das leere Venedig“ eine ganze Weile beschäftigt und hat seine Wirkung bei mir nicht verfehlt.

Schließlich sei auf den Preis hingewiesen. Das Buch kann für nur 14 Euro bei Amazon bestellt werden. Wer das Werk abschließend beurteilen möchte, darf also aus meiner Sicht diesen äußerst zugänglichen Preis nicht außer acht lassen.

Herzlichen Dank für die Bereitstellung eines Exemplars!

1 Gedanke zu „Eine Übersicht zu Bildbänden und Fotobüchern rund um die Corona-Pandemie“

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