Interview: Wie ich die Fujifilm X100V nutze (Erfahrungen, Konfiguration & Tipps)

Ich hatte mich sehr gefreut, als mich im Herbst 2020 eine Mail von Jörn Daberkow erreichte mit der Anfrage, ob ich nicht als Interviewpartner für sein Buch über die Fuji X100V teilnehmen möchte. Er hatte meine Liebeserklärung zur Fuji X100V gelesen und ich kannte wiederum sein E-Books zu fotografischen Themen. Klar, dass ich sofort zugesagt habe.

Leider ist das Buch in dieser Form nicht mehr erhältlich. Ich fand es super, wie Jörn seine Erfahrungen geschildert hatte, viele Beispielbilder zeigte und neben meinem Interview auch Gespräche mit Thomas B. Jones, Jochen Müller und Maik Kroner vorhanden waren und man einen guten Einblick bekommen konnte, wie verschiedene Fotografen die Fuji X100 nutz(t)en.

Stattdessen möchte ich Euch aber das aktuelle Fuji Buch von Jörn ans Herz legen. Es ist nun nicht mehr an einzelne Modelle gekoppelt, sondern beschreibt das Fotografieren mit Fuji X Kameras ingesamt. => Fujifilm Kameras und Objektive bei Apple Books. Auch hier wieder meine klare Leseempfehlung. Ich mag seine Schreibe sehr gerne!

Das aktuelle Buch von Jörn Daberkow (Screenshot Apple Books, Januar 2025)

Im Folgenden teile ich mit Euch das Interview vom Herbst 2020. Ich habe es bewußt nicht aktualisiert, aber in großen Teilen ist es auch gültig für die Vorgängermodelle und natürlich auch den Nachfolger Fuji X100VI. Ich habe das Interview nur ergänzt um ein paar Querverweise/Links auf diesem Blog.


Aus welchem Grund hast du dir die X100V gekauft?

Die Fuji X100V war für mich Liebe auf den ersten Blick. Als im Internet die ersten Bilder auftauchten, habe ich mich sofort angesprochen gefühlt. Warum? Ich mag alte Kameras, ich mag auch ganz generell den Retro-Style. Unabhängig von der Fotografie gehöre ich auch zu den Menschen, die noch Schallplatten hören (und auch kaufen) oder Kaffee gerne noch aufbrühen. Und wenn es ums Fotografieren geht, dann lege ich hin und wieder auch noch einen Film ein oder adaptiere Vintage Gläser an meine Systemkameras mit Wechselobjektiven. Die X100V hat mich – rein optisch – sofort angesprochen.

Zu dem Zeitpunkt war ich bereits mehrere Jahre Fuji X User. Zu meinen Kameras gehörten (und gehören teilweise noch) die mehr SLR-Style gelagerten X-T1, X-T2 und X-T3, aber auch das Rangefinderstyle Modell X-Pro 2. Außerdem war ich schon zur X100-Serie gestossen, ich hatte die X100S und die X100F. Und ich war mit beiden Modellen total glücklich, vor allem auf Reisen habe ich die Edelkompakten immer gerne dabei gehabt. Im Herbst 2019 habe ich mir dann schließlich eine Leica Q gegönnt und dafür die X100F verkauft. Ich war fest der Meinung, dass ich den Vollformatsensor benötige würde. Und dass ich mit dem Summilux 28mm/F1.7 an eben diesem Vollformatsensor noch viel besser freistellen könnte. Technisch soweit nachvollziehbar, emotional habe ich aber anders entschieden.

Keine Frage, die Leica Q ist toll. Aber sie war eben viel größer und unhandlicher als die X100F. Und ich habe die Farben und die Filmsimulationen von Fuji vermisst. Mit den Farben und den RAWs der Leica bin ich einfach nicht klargekommen. Es lag sicherlich an meinen Fähigkeiten, aber die Entwicklung der Leica Q RAWs ist mir in Lightroom nie so gut gelungen wie mit Fuji X Dateien. Eingefleischte Leica Fans – und ich zähle mich da irgendwie auch dazu – mögen nun müde lächeln. Aber ich sage Euch, da ist was dran. Bei aller Liebe zum Leica Look, die Fuji Farben sind nun mal einmalig. 

Und dann sah ich die ersten Bilder der X100V im Internet und habe mich sofort verliebt. Man könnte nun argumentieren, für Fotografen sollte das Aussehen einer Kamera völlig egal sein. Aber mich hat das leichte Redesign der Kamera sofort gepackt. Dazu das erneuerte Objektiv, der Wetterschutz und das Klappdisplay. Das alles hat mich angelockt. Und so habe ich mir die Fuji X100V im März 2020 in der silbernen Variante bestellt – und es seitdem keinen einzigen Tag bereut!

Wo zeigst du deine Bilder aus der X100V?

In erster Linie fotografiere ich für mich. Fotografie ist für mich die Dokumentation meines Lebens. Bilder meine Familie, meiner Freunde oder meine Arbeitskollegen zeige ich ausschließlich im privaten Umfeld. 

Einen Teil meiner Aufnahmen teile ich jedoch auch auf meiner Website und auf meinem Instagram Kanal. Das betrifft insbesondere die Reisefotografie aber auch Aufnahmen aus meiner Heimatstadt Hamburg. Zurzeit arbeite ich an meinem ersten Bildband, hier habe ich das erste Mal ein eigenes Projekt verwirklicht, indem ich die Stille und die Hoffnung in meiner Stadt während des ersten Corona Lockdowns dokumentiert habe. Ein Großteil der Aufnahmen ist mit der Fuji X100V entstanden. Für ein paar Aufnahmen außerhalb der Standardbrennweiten habe ich die Fuji X-Pro 2 eingesetzt.

Wie hast du die Kamera konfiguriert?

Meine Kamera habe ich so eingestellt, dass ich fast nie ins Menü wechseln muss. Die Bedienung über die Rädchen und die Übersicht – auch im ausgeschalteten Zustand – welche Einstellungen gerade aktiv sind, ist mir wichtig. Dazu fotografiere ich in aller Regel mit der Zeitautomatik und wähle die Blende vor. Ich fotografiere vorwiegend offenblendig, nutze aber auch die Gelegenheit abzublenden auf F5,6 insbesondere in der Landschaftsfotografie. 

Einer meiner Lieblingsfeatures ist der eingebaute ND-Filter. Damit kann ich bei Tageslicht auch offenblendig fotografieren aber auch Langzeitbelichtungen realisieren. Weil ich diese Funktion häufig nutze, habe ich sie auf die FN1-Taste gelegt. FN2 ist mit dem Selbstauslöser belegt, den ich ebenfalls regelmäßig nutze – nicht nur für den klassischen Einsatz von Gruppenaufnahmen, sondern auch für längere Belichtungszeiten vom Stativ. 

Fuji X100V
Die Fuji X100V

AEL/AFL habe ich mit drei ISO Automatiken belegt, je nach Situation. Damit darf dann das ISO Einstellrad auch fast immer auf AUTO stehen. Während des eigentlichen Fotografierens nutze ich beinahe ausschließlich den elektronischen Sucher und passe mit der Belichtungskorrektur die Helligkeit an. So muss ich nur selten ins Q-Menü und eigentlich nie in das Hauptmenü.

Die Touchfunktionen habe ich komplett deaktiviert, weil sie aus meiner Sicht nicht zum Bedienkonzept der Kamera passen. Das Klappdisplay nutze ich indes überraschend häufig, da ich ein Fan von Perspektiven aus Bodennähe bin.

Grundsätzlich fotografiere ich in RAW und in JPG. Mit dem RAW möchte ich alle Möglichkeiten fürs Nachbearbeiten haben, das JPG ermöglicht mir zum Einen die Vorschau im Sucher in der jeweiligen SImulation aber zum Anderen auch das schnelle Versenden via Bluetooth auf mein Handy. Hier möchte ich schon eine entwickelte Variante meiner Aufnahme zur Verfügung haben. 

Bis zu welchem ISO-Wert gehst du maximal?

Meine drei ISO Auto Einstellungen gehen bis ISO 800 (für Tageslicht), ISO 1.600 (bei weniger Licht) und ISO 6.400 (bei absoluter Dunkelheit). Damit komme ich für alle Bilder aus, das heißt ich gehe nicht über ISO 6.400 hinaus. Bei Langzeitaufnahmen stelle ich die Kamera auf ISO 160.

Deine Lieblings-Filmsimulation?

Definitiv Classic Chrome, damit mache ich 70% meiner Aufnahmen. Ich schätze aber auch die neue Classic Negative und die Acros Rotfilter Simulation. Für die Aufnahme von Veranstaltungen, insbesondere sehr feierlichen Anlässen habe ich jüngst auch den Astia-Film wiederentdeckt.

Mit welcher Software optimierst du deine X100V-Bilder?

Ich arbeite hauptsächlich mit Lightroom. Im ersten Schritt wähle ich die schon in der Kamera genutzte Filmsimulation auf meinen RAWs aus. Von dort aus mache ich in aller Regel nur geringe Anpassungen beim Schnitt, Korrekturen bei Lichtern, Tiefen, Weiß- und Schwarzwerten. Gerne unterstreiche ich den Classic Chrome Look noch etwas, in dem ich die Sättigung noch herausnehme und hin und wieder auch die Vignettierung noch etwas verstärke. Letztlich reift in mir immer mehr die Erkenntnis, dass weniger mehr ist. Und deswegen schätze ich auch die Fuji Filmsimulationen so sehr.

Nutzt du vorwiegend den elektronischen, oder den optischen Sucher?

Ganz überwiegend den elektronischen Sucher. Nur bei extrem schwierigen Lichtverhältnissen nutze ich den optischen Sucher. 

Fokussierst du manuell, oder per Autofokus?

Ich fotografiere ausschließlich mit dem Autofokus und kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal den manuellen Fokus genutzt habe. An anderen Kameras mit speziellen Brennweiten nutze ich den manuellen Fokus viel häufiger. An der Fuji X100V ist das meiner Meinung aus technischer Sicht auch überhaupt nicht von Nöten.  

Nutzt du die Converter-Linsen?

Bis vor etwa einem Jahr – als ich noch mit der X100F fotografierte – hatte ich sowohl den WCL-Konverter als auch den TCL-Konverter. Den WCL habe ich sehr häufig an der X100F genutzt. Ich fand die Erweiterung wirklich hilfreich und werde mir die für Fuji X100V diesen Konverter sicherlich wieder zulegen. Die TCL-Variante war mir allerdings zu groß und zu schwer. Und die erzeugte Brennweitenverlängerung zu gering – daher kommt diese für mich nicht mehr in Frage. Wenn ich diese Brennweite nutzen möchte, dann greife ich zu einer der Fuji Kameras mit Wechselobjektiven und nutze das XF 35mm/F1.4.
(hier ein Querverweis zu dem Zubehör und den Konvertern)

Würde es für dich funktionieren, allein mit der X100V zu fotografieren?

Ja und Nein. 

Ja, weil ich die X100V auf meiner letzten Reise als alleinige Kamera dabei hatte. Ich war eine Woche Wandern in den Bergen und habe den klaren Vorteil einer einzigen Kamera mit einem einzigen Objektiv sehr geschätzt. Nicht zuletzt, weil es bei Fernwanderungen auf wirklich jedes Gramm ankommt. Die Fuji X100V ist so klein und so dankbar, dass ich ihr Gewicht kaum gemerkt habe. Und ich konnte die Kamera auch dauerhaft um meinen Hals gehängt haben, ohne sie zu merken. Oder auch ohne um sie Angst zu haben. Der Wetterschutz ist schließlich gerade für solche Fälle ideal. Die Reduzierung auf eine einzige Brennweite befreit. Und macht kreativ. Die Limitierung spornt mich in der Fotografie an und bringt mich dazu, Motive neu zu denken. Und das weiss ich sehr zu schätzen.

Nisi Filterset für Fuji X100V
Die X100V – hier mit dem NISI Filterset.

Nein, weil die X100V natürlich auch im negativen Sinne limitiert. Nicht in der Weitwinkelfotografie – hier kann ich einfach ein paar Bilder mehr machen und sie später in Lightroom zusammensetzen. Es gibt für mich jedoch diese “Telemomente”; auch wenn ich eigentlich eher der Weitwinkeltyp bin. Aber ich möchte hin und wieder mein Motiv heranholen. Das können Nahaufnahmen von Menschen sein oder das können Tiere sein oder Landschaften, die ich mit dem Teleeffekt verdichten möchte. Und das klappt einfach nicht, wenn ich mit der X100V “nur” croppe. In diesen Fällen brauche ich ein Teleobjektiv vor einer entsprechenden Kamera.

Und nein, weil ich ganz selten auch die Limitierung des kleineren Sensors spüre – beispielsweise wenn es schon sehr dunkel ist und ich die ISO Zahlen nach oben schrauben muss. Dann ist in der Nachbearbeitung der Unterschied zu sehen und der Dynamikumfang eines Voll- oder gar Mittelformatsensors könnte seine Vorteile ausspielen. Aber das kommt zugegebenermaßen nur sehr selten vor. 

Um es mit der Antwort doch noch kurz zu machen: Ja, die X100V als alleinige Kamera funktioniert für mich. Ich liebe es aber auch, ein Backup zu haben und in bestimmten Gelegenheiten, darauf zurückgreifen zu können. Ein Blick in meine Statistik verrät jedoch, dass ich die absolute Mehrheit meiner Aufnahmen in den letzten Monaten mit der X100V gemacht habe. 

Wem würdest du die Kamera empfehlen und wem auf keinen Fall?

Einem Anfänger würde ich keine X100V empfehlen, da ich der Meinung bin, dass man Erfahrung benötigt, um zu wissen, ob einem eine Brennweite liegt oder nicht. 

Wenn Du aber weißt, dass 23mm auf APS-C “Deine” Brennweite ist und Du genug davon hast, einen riesigen Rucksack mit Objektiven mit Dir herumzuschleppen. Wenn Du die Freude an der Fotografie zurück gewinnen willst und wenn Du auf analoge Konzepte und auf das Retrofeeling stehst, dann kommst Du an der X100V einfach nicht vorbei. (Oder Du versuchst Dich alternativ an einer gebrauchten X100F, die zur Zeit zu sehr attraktiven Preisen zu bekommen sind).

Welche Wünsche hast du an Fujifilm für ein Nachfolgemodell?

Ich habe keine Wünsche an ein Nachfolgemodell. Ich würde es eher unrealistische Träume nennen. Und damit meine ich nicht eine verbesserte Lichtstärke des Objektivs oder einen Vollformatsensor – das ist vermutlich weder technisch in dieser Größe machbar, noch entspricht es offenbar der Strategie von Fujifilm. 

Ich träume von einer weiteren X100 mit einem lichtstarken 50mm/56mm Objektiv. Das wäre die perfekte Ergänzung zur existierenden X100V. 

Fuji X100V Review
Die Fuji X100V

Dein abschließendes Statement zur Fujifilm X100V?

Nun, die Fuji X100V war Liebe auf den ersten Blick, das habe ich bereits erwähnt. Und dieses Gefühl hält bis heute an. Ich nehme die Kamera gerne in die Hand, sie inspiriert mich und die Bildqualität ist über jeden Zweifel erhaben. Ich schätze inzwischen auch das Klappdisplay, ich störe mich nicht am Akku und auch nicht am kleineren APS-C Sensor. 

Sie gibt mir die Freiheit auf Reisen, weil sie klein ist. Und sie fügt sich perfekt in meine Vorlieben für analoge Konzepte ein. Sie passt einfach zu mir. Wie das mit der Liebe eben so ist. 


Zum Weiterlesen

Auf meinem Blog gibt es eine große Sammlung an Artikeln zu Kameras und Zubehör der X100-Serie:

3 Gedanken zu „Interview: Wie ich die Fujifilm X100V nutze (Erfahrungen, Konfiguration & Tipps)“

  1. Hallo Florian, deine Gedanken sind gut nachvollziehbar, obwohl ich noch nie mit der X100 fotografiert habe. Mit einer X-T5 als Hauptkamera hätte ich gerne ein kleines Backup mit Wechselobjektiven. das ist aktuell eine X-E4, aber ich gebe zu, ich spekuliere auf eine E5 mit dem T5-Sensor. Mit dem 27mm Objektiv bin ich klein und leicht, wenn ich nur eine Kamera z.B. mit in die Berge nehmen will, kann im Falle eines Defekts auch das 100-400 mit Konverter dranschrauben – so lustig das aussehen mag. Ich merke, wie oft ich die E4/27mm Kombi alleine dabeihabe; von daher wäre eine X100 als Drittkamera eine Versuchung, ein „Luxusproblem“ wie ein Freund immer sagt, aber auch eine finanzielle Herausforderung, wobei ich das Geld lieber in einen Ausflug stecke…
    Ich hoffe, es geht dir gut – ganz liebe Grüße nach Hamburg
    Stefan

    Antworten
    • Hallo Stefan, kann ich total nachvollziehen, mit Kameras der X100 Serie fehlt einfach eine Möglichkeit – abgesehen von den Konvertern – die Brennweiten zu wechseln. Eine X100 parallel zu haben ist tatsächlich ein Luxusproblem…. Liebe Grüße zurück nach Regensburg, Florian

      Antworten

Schreibe einen Kommentar