Das Jahr ist beinahe zu Ende und es steht das Sechzehntelfinale im Hamburger Stadtpokal an: Barmbek-Uhlenhorst gegen unseren Altonaer FC von 1893. Nicht nur eine besondere Paarung, weil zwei in der Oberliga spielende Traditionsvereine direkt aufeinander treffen.
HSV Barmbek-Uhlenhorst vs. Altonaer FC von 1893
Wilhelm-Rupprecht-Platz, Hamburg, Oddset-Pokal
Sondern weil die beiden Fanlager auch eine traditionelle Rivalität verbindet [2]. Was heute an der „Hamburger Anfield“ geschehen ist, hat an der besonderen Beziehung zwischen BU und dem AFC nichts verändert, ganz im Gegenteil.
Um das »Sportliche« gleich vorwegzunehmen: Altona 93 ist souverän mit 3:0 in die nächste Runde eingezogen, ein Spiel auf ein Tor – quasi. Doch beginnen wir von vorn …
Wir freuen uns schon seit Tagen auf das besondere Spiel in Hamburgs Osten und rufen regelmäßig die Wetternachrichten ab. Schließlich sind Spielabbrüche um diese Jahreszeit in den Amateurligen an der Tagesordnung. Spätestens als am Donnerstagabend die Stadt Hamburg eine amtliche Dauerregenwarnung verlauten lässt, wird klar, dass man mit einer Spielabsage rechnen kann, ja muss.
Was befürchtet wird, tritt ein. Am Freitagabend spricht sich herum, das Spiel könne nicht angepfiffen werden. Ein Blick auf die Internet-Seite von „BU“[1] verrät:
„Wie leider angesichts des derzeitigen Wetters in Hamburg abzusehen war, findet das Spiel der 4. Runde des Oddset Pokals am Samstag den 12.12. nicht statt!! Das Spiel wird in diesem Jahr auch nicht mehr nachgeholt.“
Internet Seite von BU am 10.12.2009
Auch auf der Homepage des AFC findet sich diese Meldung, allerdings mit der Einschränkung, dass am Morgen vor dem Spiel der Platz nochmal überprüft werden könnte. Nun, wir sind uns alle einig, dass das Spiel verlegt wird. Wenn’s doch auf beiden Internet-Seiten steht. „BU“ wird schon wissen, was sie da schreiben. Sie sind ja immerhin der Gastgeber. Also doch kein fussballwurst.de-Bericht von der Anfield.
Es ist Samstagmorgen, eigentlich schon Samstagmittag, als das Telefon klingelt. Am Hörer der Vorsitzende unseres Vereins fussballwurst.de (mehr dazu hier), der mich freudig erregt direkt nach Barmbek zitiert. Was war passiert? Eine Platzkommission hat am Vormittag den Rasen in Barmbek doch tatsächlich unter die Lupe genommen und keinen Grund gesehen, das Spiel abzusagen. Bis ich so halbwegs kapiert habe, was das bedeutet, sitzen wir schon in der U-Bahn, die uns in den tiefen Osten Hamburgs bringen wird. Zum Glück gab es eben nur ein kleines Frühstück – schließlich wartet zum Mittagessen eine Bratwurst auf mich.
Als wir an der Habichtstraße die Bahn verlassen, treffen wir schon auf die ersten Fans. Bei einem kurzen Schnack ist zu hören, dass die Mannschaft von Altona zwar am Stadion schon eingetroffen, sonst aber niemand da sei. Und genau so ist es, als wir wenige Minuten später das BU-Stadion erreichen. Keiner da, der Eintrittsgeld kassiert. Die Clubkneipe geschlossen. Keine BU-Fans und schon gar kein Wurststand. Wurde das Spiel nun doch noch abgesagt?
Immer mehr Altona Fans treffen ein, irgendwann sind wir über hundert AFC-Fans. Nur einmal schleicht sich ein Blaugelber durch die Massen, die alle ratlos in der Gegend herumstehen. Man muss sich das vorstellen: Spieler, Funktionäre und Fans der Auswärtsmannschaft stehen im Stadion – aber von der Heimmannschaft ist auch Minuten nach dem eigentlichen Zeitpunkt des Anpfiffs nicht mal ein Fan zu sehen. Irgendwann trifft der Spielausschussvorsitzende des Hamburger Fußball Verbandes ein und trifft zwei Feststellungen: Erstens ist der Rasen einwandfrei und zweitens vom HSV Barmbek-Uhlenhorst niemand da. Ob deren Spieler am Vorabend zu lange gefeiert haben oder ob der Verein einen Vorteil herausspielen wollte, weil eine Verschiebung ins kommende Jahr die aktuelle Verletztenmisere vergessen lassen würde – all dies bleibt ungeklärt. Und zweitrangig.
Erst jubeln die Spieler und dann die Fans: Altona 93 steht in der nächsten Runde – das Spiel wird mit 3:0 für den AFC gewertet. Mannschaft und Anhänger machen die Laola-Welle und feiern sich gegenseitig, wenngleich es ohne Zweifel schöner gewesen wäre, den Sieg nach einem packenden Duell zu feiern. Dann gehen die Fans heim, schütteln die Köpfe und spekulieren, wie so etwas passieren kann. Ein abgesagtes Spiel, das nun doch stattfinden soll, bei dem die Heimmannschaft jedoch gar nicht anwesend ist. Manch einer spricht sogar von Verweigerung. Keiner von uns hat so etwas Ähnliches vorher schon mal erlebt. Vor (!) dem Stadion sind dann doch noch ein paar BU-Fans zu sehen. Eine Handvoll zumindest. Dass die es ungerecht finden, erklärt sich von selbst…
Liebe Leser:innen, Sie wissen es natürlich schon. Wenn ein Verein einfach mal aus einer Laune heraus beschließt, sein Stadion nicht zu öffnen und seine Mannschaft nicht zum Spiel zu schicken, dann wird auch niemandem eine Wurst verkauft. Heute jedenfalls habe ich bei Barmbek-Uhlenhorst kein Mittagessen bekommen. Und aus diesem Grund werden wir erneut anreisen, in den tiefen Hamburger Osten.
[1] Nur die Älteren unter uns werden sich erinnern: BU spielte zweite Liga und war drauf und dran, dem FC St. Pauli den Stellenwert als zweite Kraft im Hamburger Fußball streitig zu machen!
[2] BU-Anhänger Lotto King Karl wird zur Rivalität folgendermaßen zitiert: „AFC gegen BU – das ist wie Inter gegen AC. Nur, dass da mehr Zuschauer sind und unsere Jungs besser aussehen…“.
Dieser Text ist eine leicht modifizierte Version aus dem Buch „Auf der Suche nach der perfekten Stadionwurst“ (Infos hier).