Wandern im Rosengarten: Von Hütte zu Hütte in vier Etappen

Wandern im Rosengarten – ikonischer gehts kaum. Das markante Bergmassiv der Dolomiten sieht immer wieder fantastisch aus. Ich habe die Wanderschuhe geschnürt und bin in vier Etappen über den Schlern und durch den Rosengarten gewandert. Immer auf der Flucht vor dem schlechten Wetter. Und immer wieder wärmstens aufgenommen in den tollen Wanderhütten von Südtirol.

Seien wir ehrlich, alleine der Name „Rosengarten“ für ein Bergmassiv ist schon verführerisch. Der Legende nach leben hier unzählige Zwerge, alle voran der Zwergenkönig Laurin, der für das rosarote Bergglühen der Rosengartengruppe verantwortlich sein soll. Es ist eine märchenhaft-schön-schaurige Landschaft, durch die ich nun mehrere Tage wandern kann, von Hütte zu Hütte.

Die Bärenfalle - der Aufstieg zum Schlern.
Die Bärenfalle – der Aufstieg zum Schlern.

Catinaccio vs. Catenaccio

Aber auch der italienische Name für den Rosengarten – „Catinaccio“ – macht sofort ein Bild auf. Zumal am Abend vor meinem ersten Wandertag die italienische Nationalmannschaft die Fußball-Europameisterschaft mit dem Spielsystem des „Catenaccio“ gewonnen hatte. Was ist das denn für ein geiler Zufall, bitteschön?

Nun, erstens kommt der italienische Name für den Rosengarten aus dem Ladinischen und ist mit der Übersetzung „Berg-/Geröllkessel“ genauso unromantisch wie die Herkunft des Wortes Rosengarten, das nämlich von „Geröllhalde“ abgeleitet sein soll.

Und zweitens war der Spielstil der italienischen Mannschaft überraschenderweise gar nicht vom Catenaccio geprägt. Diesem für Zuschauer:innen so unattraktiven Spielsystem, das für eine absolute Defensive und wenig Tore steht. Italien hatte sogar so attraktiv gespielt, dass beim Public Viewing die eher italo-skeptischen Südtiroler:innen von „ihrer“ Mannschaft total begeistert waren. Das aber ist eine andere Geschichte… von wegen geiler Zufall.

Aufstieg auf den Schlern

Mit dem 185er Bus fahre ich also am frühen Morgen nach dem EM-Finale an meinen Startpunkt der Viertagestour, der Kapelle in St. Zyprian. Von hier aus steige ich auf, Meter um Meter auf die Hochebene des Schlern. Über den Parkplatz von Weißlahnbad, vorbei am Tschetterloch geht es in die Bärenfalle. Der Anstieg ist sportlich und Trittsicherheit ist die absolute Voraussetzung. In diesen Tagen ist es schon früh heiß und so macht es Sinn, frühmorgens unterwegs zu sein. Zudem bietet die Hammerwand soviel Schatten, dass ich einen Großteil der Bärenfalle ohne direkte Sonneneinstrahlung steigen kann.

Je mehr Höhenmeter ich erklimme, desto spannender und desto wilder wird die Schlucht. Der oberste Teil ist mit Brücken, Leitern, Treppen und Stegen ausgebaut und lohnt sich alleine deswegen schon. Kurz dem Bär „Servus“ gesagt, schon bin ich auf dem gut 2,000 Meter hohen Tschafatschsattel und habe den ersten Höhenkilometer auf dem Tacho. Allmählich komme ich über die Baumgrenze und es wird immer karger. In einem großen Bogen geht es schließlich zum Schlernhaus, der Hütte auf dem Schlern.

Auf den letzten Metern Richtung Schlernhaus.
Auf den letzten Metern Richtung Schlernhaus.

Am frühen Nachmittag erreiche ich dieses erste Tagesziel, gerade rechtzeitig bevor es zu zieht. Ich bin schon auf 2,400 Meter Höhe und sobald der Himmel bedeckt wird, wird es frisch. Sowieso, wenn sich noch ein zugiger Winde dazugesellt und noch mehr Wolken herbei holt. Der Wetterbericht für die kommenden Tage ist ganz und gar nicht gut. Er eignet sich nicht fürs Fotografieren, aber fürs Bergwandern schon mal gar nicht. Vor ein paar Tagen war die Wetterprognose sogar schon mal so mies, dass ich mit dem Gedanken spielen musste, die Tour gegen ein paar Tage Wellness und Weißwein eintauschen zu müssen. Aber nein, es hat geklappt und die Lage war bis eben auch richtig gut. Zeit für ein Mittagsschläfchen und sich von den Strapazen des Aufstiegs zu erholen.

Auf dem Monte Petz

Das Schlernhaus selbst ist gar nicht auf dem höchsten Punkt des Schlerns. Hierzu steige ich weitere zwanzig Minuten auf den Monte Petz (2.536m). Pünktlich zum Sonnenuntergang will ich oben sein und trete diese kurze Wanderung in völligem Nebel an. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt, außerdem ist das auch eine gute Ansage an die eben verspeisten Speckknödel.

Auf dem Monte Petz schaut dann mal kurz die Sonne raus.
Auf dem Monte Petz schaut dann mal kurz die Sonne raus.

Am Gipfelkreuz des Monte Petz angekommen sieht es noch ebenso neblig und trübe aus wie unten am Schlernhaus. Lediglich der starke Wind lässt darauf hoffen, dass die Wolken doch noch einmal weggepustet werden. Und damit einen Blick auf die Sonne oder gar in Richtung Seiser Alm oder Rosengarten möglich wird.

Manchmal hat man Glück, manchmal nicht. Für ein paar Minuten wird tatsächlich die Sicht frei. Nicht gänzlich, aber immer wieder. Und schließlich bin ich ganz alleine hier oben. Außer mir hat kein:e Bergwanderer:in mehr an das Wunder vom Monte Petz geglaubt. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass man es eben doch probieren muss.

Südtirol
Auf dem Rückweg vom Monte Petz sind die Wolken weg: Schlernhaus mit dem Rosengarten im Hintergrund.

Vom Schlern zum Rosengarten

War der erste Tag mit seinem heftigen Anstieg ein echter Kraftakt, verspricht der Rest der Tour wirklich easy zu sein, zumindest was die Höhenmeter angeht. Die Tour führt gemütlich über den Bergrücken des Schlern zur Tierser Alpl um dann ins eigentliche Rosengartenmassiv zu führen. Über kurze Seilversicherungen und mittelschweren Wegen geht es hinauf zum Molignonpass. Fies wird es anschließend, weil es steil über Geröllwege 200 Höhenmeter bergab geht und direkt anschließend – größtenteils über Schneefelder – wieder 200 Höhenmeter steil bergauf. Das Ziel der heutigen Etappe wird dann auch ein echtes Highlight sein, die Grasleitenpasshütte auf etwa 2,600 Meter Seehöhe.

Vom Molignonpass Richtung Grassleitenpasshütte
Vom Molignonpass Richtung Grassleitenpasshütte: Im linken unteren Viertel – hinter dem unscharfen Stein – kann man eine Linie erkennen, die dann in die Schneefelder übergeht. Das sind die 200 Meter Höhenmeter nach oben zur Hütte.

Viel anspruchsvoller als das eigentliche Wandern im Rosengarten ist einmal mehr das Wetter. Ab dem Nachmittag ist mit schweren Gewittern zu rechnen. Mit Gewittern in den Alpen habe ich bereits letztes Jahr so meine Erfahrungen gemacht, die für ein ganzes Leben ausreichen sollten. Nicht zuletzt auch deswegen breche ich so früh wie möglich auf, um dann auch wirklich schon um 13 Uhr an der Grasleitenpasshütte zu sein. Und tatsächlich beginnt gegen 15 Uhr ein Unwetter, das die ganze Nacht anhalten wird. Es ist Teil der mitteleuropäischen Wetterlage, die auch für die verheerenden Überflutungen an Rhein und Mosel in Deutschland verantwortlich sind.

Die Grasleitenpasshütte

Während draußen die Blitze toben, sitzen wir drinnen bei bestem Essen im Warmen. In aller Regel bucht man auf den Hütten in Südtirol schon vorab direkt Halbpension. Obwohl – oder gerade weil – Corona vorherrscht, ist Hochsaison. Und das bedeutet, dass man sowieso sehr rechtzeitig den Hüttenplatz vorab reservieren sollte (ich habe das schon im Mai gemacht). Die Grasleitenpasshütte ist nämlich eine kleine Hütte mit wenig Plätzen. Überhaupt ist sie schon einen Besuch wert, so wie sie direkt in den Fels gebaut wurde. Platz hat da eigentlich nicht viel, außer eine luxuriöse Siebträgermaschine, die eigentlich eher für ein Großraumrestaurant geeignet wäre. Aber dafür gibt es den besten Kaffee weit und breit auf dieser kleinen, extravaganten Grasleitenpasshütte.

Die Grasleitenpasshütte.
Die Grasleitenpasshütte.

Zurück zur Halbpension. Wenn Du Halbpension gebucht hast, dann bedeutet das, dass Du zwei Speisen frei aus der Karte auswählen kannst. Freilich für das Abendessen alleine. Nicht nur Knödel mit Gulasch, sondern auch noch ein vollwertiges Speckbrettl dazu. Oder Spaghetti Bolognese. Oder eine Portion Kaiserschmarrn. Oder oder oder.

Du wirst auf jeden Fall viel zu satt. Und das bei wirklich bester Küche. Frisch gezapftes Bier, eine runde Weinauswahl und Sergios berüchtigter Schnaps, für alles ist gesorgt. Und das, obwohl hier keine Straße hoch führt und alles entweder mit dem Hubschrauber oder mit eigener Kraft von der Vajolethütte hergetragen werden muss. Habe ich schon einmal eine Bestnote für eine Berghütte vergeben? Egal, die Grasleitenpasshütte bekommt sie – ohne wenn und aber.

Vorbei an den Vajolettürmen auf den Zigolade-Pass

Am nächsten Morgen ist es dasselbe Spiel. So früh wie möglich sollte man los, gegen Nachmittag sind wieder Unwetter zu erwarten. Es regnet noch etwas und die anspruchsvolleren Seitenrouten zum Kesselkogel oder später zum Santnerpass sind keine Option, zu schlecht ist das Wetter. So geht es zu Beginn dieser dritten Etappe erst einmal ganz légeres bergab zur Vajolethütte. Die gleichnamigen Türme, die mit zu den höchsten Erhebungen des Rosengartenmassivs zählen, tauchen meist nur kurz aus dem Nebel auf. Gerade jetzt wünscht man sich doch etwas besseres Wetter, um die Landschaft noch mehr genießen zu können. Auf der anderen Seite wirkt der Rosengarten so noch dramatischer und an jeder Ecke könnte einer der Zwergen auftauchen, mit denen man es sich nicht verscherzen sollte. Zu groß ist meine Angst, dass sie das nächste Unwetter schon viel zu früh auslösen könnten.

Durch den Rosengarten.

Kurz hinter der Vajolethütte biege ich vom Hauptweg ab, die Route wird wieder anspruchsvoller. Und steiler. Langsam kämpfe ich mich Höhenmeter um Höhenmeter nach oben und nach ein paar Kilometern verpasse ich beinahe die Abzweigung zum Zigolade-Pass, die nämlich nicht ausgeschildert ist. Ganz kurz fühle ich mich durch Laurin getäuscht, finde nach kurzer Zeit aber wieder zurück. Auf der Passhöhe setzt tatsächlich der erste Regen ein. Gut, dass es von hier aus nur noch leicht bergab geht und das heutige Tagesziel, die Rotwandhütte, bald erreicht sein wird.

Überhaupt ist das mit den Hüttennamen hier ganz schön kompliziert. Jede Hütte hat mindestens einen italienischen und einen deutschen Namen. Und in aller Regel ist auch mindestens eine Variante mit einer Stadt aus Italien, Deutschland oder Österreich verbunden. Nehmen wir als Beispiel die Rosengartenhütte – meine Zielhütte der gesamten Route. Sie wurde ursprünglich von Rheinländern des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins gebaut und folglich „Kölner Hütte“ genannt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Hütten in Südtirol enteignet und mit italienischen Namen versehen, in diesem Fall nach dem verstorbenen Präsidenten des italienischen Alpenvereins Aleardo Fronza. Ein umgekehrtes Beispiel ist das Schlernhaus, das auf italienisch „Bozener Hütte“ heißt. Um den Streit zwischen deutschen und italienischen Namen zu beenden und diesen vor allem zu entpolitisieren, werden nun immer mehr „neutrale“ Namen eingeführt, wie eben der Namen „Rosengartenhütte“ für die „Kölner Hütte“. Wer das nicht weiß, vermutet eine Unmenge an Berghütten in Südtirol. Ich stolpere immer wieder über dieses Namenswirrwarr, wenn man es aber weiß, dann kriegt man es auch hin.

Hoch zum Zigolade-Pass.
Hoch zum Zigolade-Pass.

Nun ist also die Rotwandhütte das nächste Ziel und weil ich schon wieder sehr früh aufgebrochen bin, erreiche ich sie auch viel zu früh. Schließlich hätte Starkregen einsetzen sollen, stattdessen scheint die Sonne. Alles spricht dagegen, jetzt schon Feierabend zu machen, in der Hütte zu sitzen und Durak zu spielen. Diese russische Kartenspiel, das wir am Vorabend zu sechst während des Unwetters bis zum Erbrechen gespielt haben.

Die finale Etappe zur Rosengartenhütte

Pragmatisch muss man sein, also sattele ich die letzte Etappe gleich auf. Meine Mitwandererinnen treffen in diesem Moment exakt dieselbe Entscheidung. So steht auch schon fest, dass wir heute Abend noch die Durak Revanche spielen werden.

Diese letzte Etappe ist mehr oder weniger eine gemütliche Nachmittagstour, die häufig von Tageswanderern begangen wird, ohne größere Steigungen. Der Hirzelweg führt an einem Bronzeadler vorbei, den man in der heutigen Zeit sicherlich nicht mehr so aufstellen würde. 1912 fand man es aber wohl ziemlich schick, einen 2,70 Meter hohen, böse dreinschauenden Adler in diese wunderbare Landschaft zu betonieren. Nein, Geschmack ist eben doch nicht zeitlos.

Selten verheißt ein Bronzeadler etwas Gutes.

Kurz vor dem Ziel jedoch setzt der Starkregen ein, der es schafft in nur einer halben Stunde mich und meinen Rucksack vom Zustand „trocken“ in „komplett durchnässt“ zu transformieren. Wandern im Rosengarten und gutes Wetter – eine ganz eine schlechte Kombination, zumindest diesen Sommer. Alles halb so schlimm, wenn man a) am Ziel ist und b) Technik am Start hat, die das alles aushält. Wie schon auf den letzten Touren habe ich nur die spritzwassergeschützte Fuji X100V mit den Konvertern dabei.

Wandern im Rosengarten – und König Laurin sagt Danke

Die Rosengartenhütte gehört wieder zu den größeren Hütten der Umgebung. Das Essen ist aber wahnsinnig gut, das Südtiroler Knödeltris – bestehend aus je einem Speck-, Spinat- und Käseknödel – begeistert mich wirklich. Wenn Ihr mal in der Gegend sein sollt, bestellt das Knödeltris!

Knödeltirs.
Knödeltirs.

Am Ende solch einer Wanderung legt man gerne die Füße hoch und lobt sich selbst. Die ganzen Nebenstrecken und Klettersteige mussten ausbleiben, daher waren es „nur“ 34 Kilometer bei über 3,000 Höhenmetern in vier Etappen. Und dennoch sind wir stolz, zumindest die, die auch heute Abend mindestens noch eine Runde Durak gewinnen. Ich werde dazu gehören.

Der wichtigste Gewinn kommt jedoch ganz am Ende. Kurz bevor es dunkel wird, macht der Himmel wieder auf. Der Blick reicht jetzt bis runter nach Bozen, die Nebelschwaden betten das Gebirgsmassiv des Latemar ein und kurz zeigt sich sogar die untergehende Sonne. Fürs Wandern im Rosengarten hätte das Wetter wirklich besser sein können, aber im letzten Moment sagt König Laurin doch noch einmal danke. Und im Rücken der Hütte glüht dann auch der Rosengarten rosarot. Zumindest ganz kurz.

Blick zum Latemar. Von der Rosengartenhütte aus.
Blick zum Latemar. Von der Rosengartenhütte aus.

Eines kann ich nun wirklich sagen: Diese Rosengartenrunde muss man einmal im Leben gemacht haben! Verpflichtend dabei ist eine Übernachtung auf der Grasleitenpasshütte, das Knödeltirs auf der Rosengartenhütte und möglichst viele Karmapunkte bei König Laurin. Und dann ist alles gut!

Wandern im Rosengarten: Die Tour bei Relive.

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Bildergalerie Rosengarten

2 Gedanken zu „Wandern im Rosengarten: Von Hütte zu Hütte in vier Etappen“

  1. Hallo Florian, gibt es deine Tour zufällig auch auf Komoot oder einer anderen Wanderapp, wo man nachvollziehen kann welchen Weg du genau gegangen bist?

    Viele Grüße Stefan

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