Fred Herzog – „Modern Color“ (Notizen zur Podcast Folge #1 der Fotobuch Plauder Ecke)

Irgendwann vor ein paar Wochen ist die Idee entstanden, dass wir über Fotobücher und Bildbände plaudern könnten. Wir, das sind Thomas Winter, der Host des Podcasts „Fotobuch Ecke“ und ich. Kennengelernt haben wir uns bei der Aufnahme zu meinem Bildband „Lockdown Hamburg“. Seitdem stehen wir in Kontakt, nicht zuletzt auch deswegen, da wir beide leidenschaftliche Fußballfans sind. Diesem Sommer waren wir zusammen beim Hamburger Oberligisten Altona 93 und haben dort etwas Reportagefotografie betrieben. Und im September folgte schließlich die Podcast-Aufnahme zu „Dear India“. Spätestens seitdem reifte die Idee zur „Fotobuch Plauder Ecke“, dem Bildband Talk zwischen Thomas und mir. In jeder der unregelmäßig erscheinenden Folgen wollen wir uns gegenseitig einen Bildband vorstellen.

Die erste Folge steht unter dem Motto „Berühmte Fotograf:innen“

Los gehts mit der ersten Folge, die heute unter dem zum Bildband Motto „Berühmte Fotograf:innen“ auf Apple Podcasts, Spotify und Co. erschienen ist. Für uns beide war es jeweils eine Überraschung, welchen Bildband der Andere vorstellen würde. Vorgegeben war lediglich, dass der/die Fotograf:in berühmt, also einer breiten Masse bekannt sein sollte. Hört doch gerne in unsere erste Folge rein. Wir freuen uns über Euer Feedback und bereiten gedanklich schon die zweite Folge vor. Diese wird dann natürlich unter einem neuen Motto stehen.

Fred Herzog: Modern Color

Während sich Thomas für die erste Folge für Elliott Erwitts „Scotland“ entschieden hatte, habe ich die Monografie „Modern Color“ von Fred Herzog ausgesucht. Zweifelsohne zwei Werke, die das Kriterium und Motto „Berühmte Fotograf:innen“ erfüllen.

Fred Herzog, ursprünglich aus Deutschland stammend und später im kanadischen Vancouver ansässig, ist für viele ein Synonym für die frühe Farbfotografie. Während Schwarz-Weiß-Fotografie in der Mitte des 20. Jahrhunderts immer noch als die „ernsthafte“ Form der Fotografie galt, wagte es Herzog, die Welt in Farbe einzufangen. Sein Buch „Modern Color“ ist eine beeindruckende Sammlung dieser Arbeiten und verkörpert seine Vision und Technik.

Ihr werdet es im Podcast hören: Ich liebe „seine“ Farben und ich liebe auch „seine“ Linien und Geometrien in „Modern Color“. Außerdem finde ich, dass es Herzog extrem gut gelungen ist, ein Stück Zeitgeschichte einzufangen. Es ist dieser spezielle nordamerikanische Vibe der 1950er und 60er Jahre, den ich in „Modern Color“ sehe. Ich will in diesem Blogbeitrag nur kurz auf den Bildband eingehen, schließlich könnt Ihr es in der Podcastfolge ausführlich nachhören.

Fred Herzog - Modern Color
Der Bildband „Modern Color“ von Fred Herzog, erschienen 2017 bei Hatje Cantz.

Wie schon oben angedeutet, ist die Arbeit wegweisend, weil Fred Herzog in Farbe fotografierte. Weil dies nicht nur unüblich, sondern zu damaligen Zeiten auch verpönt war. Dadurch gilt er als Wegbereiter der New Color Photography der 1970er Jahre mit so namhaften Vertretern wie Joel Meyerowitz oder Stephen Shore.

„Wie wir wissen dass Freiheit und frisch gefangener Lachs etwas Gutes sind, wussten wir damals, dass Farbe nur für schöne Ansichten eingesetzt werden sollte. Landschaften, Schwäne, Blumen, Sonnenuntergänge, knorrige Bäume und brennende Kerzen waren in Ordnung. Alles andere wurde mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert.“

Fred Herzog, Quelle: Exploring Vancouver in the Fifties and Sixties, in: West Coast Line 39, Nr. 2, 2005, S. 160f.

Seine Bilder sind geprägt durch den Diafilm Kodakchrome und dessen charakteristisches Rot, dass sich wie ein – natürlich – roter Faden durch den Bildband zieht. Mich fasziniert aber auch das gleichzeitig entsättigte Blau sowie die vielen Licht- und Schattenspiele. Schaut Euch das Beispiel des Barber Shops an, das sich auch auf dem Cover befindet.

Fred Herzog - Modern Color
Ein und derselbe Barbershop. Einmal von innen und einmal von außen. Aus Fred Herzogs „Modern Color“ („Main Barber“ & „Main Barber from Sidewalk“, 1968).

Herzog komponierte seine Ausschnitte sehr bewusst, ja schon beinahe analytisch. Kein Wunder, er war ja auch medizinischer Fotograf und daher sicherlich sehr wissenschaftlich getrieben. Und er wartete bis seine Protagonisten die richtige Stelle seiner Arrangements erreicht hatten. Gerade in der Kombination von Innen- und Außenansicht des Barbershops – also in der Wirkung als Doppelseite – bin ich wirklich sehr angetan.

Fred Herzog - Modern Color
Fred Herzog – Modern Color: „Boat Scrapers 1“ (1964).

Mein Lieblingsbild ist die Aufnahme mit dem Titel „Boat Scrapers 1“. Wir sehen zwei Hafenarbeiter beim Bemalen eines Rumpfes, die auf einem hängenden Balken stehen. Damit erinnert es mich unweigerlich an die sehr bekannte Aufnahme „Lunch atop a Skyscraper“ bei dem Bauarbeiter in New York eine Mittagspause machen. Faszinierend sind für mich die Symmetrien und Linien, zum Beispiel verursacht durch den Schatten der Leiter. Die Farben des Rumpfes, die Gegensätze zum Hintergrund mit dem Schornstein und dem aufsteigenden Rauch. Dazu der hängende Eimer. Ein Bild, das ich ewig anschauen könnte.

Fred Herzog - Modern Color
Fred Herzog – Modern Color: „Man with the Bandage“ (1968)

Das wohl vermutlich bekannteste Bild von Fred Herzog ist „Man with the Bandage“, das es auch in die 36 aus 100 Sammlung von Leica geschafft hat. Es zeigt einen an der Bushaltestelle stehenden Mann in einem weissen Shirt, einer bandagierten Hand, die eine Zigarette hält. Dir drei weißen Elemente werden durch das Papier im Gesicht ebenso ergänzt, wie durch die im Hintergrund stehende und den Mann anschauende Person, die neben dem weissen Hut, vor allem auch durch die weissen Handschuhe auffällt. Abgesehen von diesen Wiederholungen sind aber auch die Perspektive und die Ausleuchtung bemerkenswert. Wie auch die vielen weiteren Details – und natürlich die Farbkontraste, wie könnte es anders sein. Ein echtes Meisterwerk, weil Herzog hier eben auch den perfekten Moment einfangen konnte.

Ich könnte Euch noch mehr Bilder zeigen und wir hätten im Podcast auch noch mehr Seiten besprechen können. Aber macht Euch doch selbst ein Bild von „Modern Color“. Diese Arbeit ist nicht nur eine Hommage an die Schönheit von Vancouver und an seine Menschen, sondern eben auch ein Zeugnis für Herzogs Pioniergeist. Er hat gezeigt, dass Farbfotografie nicht nur ein kommerzielles Werkzeug ist, sondern auch eine mächtige Form des künstlerischen Ausdrucks und damit den Weg für die Farbfotografie (mit-) bereitet.

Links / zum Weiterlesen

Den Podcast selbst habe ich oben schon eingebunden, ihr findet die Folge aber auch auf allen gängigen Portalen, also Apple Podcasts, Spotify etc. Am Besten Ihr abonniert einfach die Fotobuch Ecke in Eurer Lieblingsapp, dann verpasst Ihr keine der kommenden Folgen und auch keine der weiterhin erscheinenden Einzelausgaben mit Fotograf:innen und ihren Bildbänden!

16 Gedanken zu „Fred Herzog – „Modern Color“ (Notizen zur Podcast Folge #1 der Fotobuch Plauder Ecke)“

  1. Hallo Florian!
    Gerade habe ich Euren Podcast gehört. Hat mir gut gefallen!
    Für zukünftige Folgen, ein Fotograf, der mir sehr am Herzen liegt, schon, weil ich Istanbul sehr liebe. Ara Güler, der 2018 90jährig verstoben ist. Auch er war Magnum-Fotograf und hat hinreißende Fotos von Istanbul gemacht (s/w). Ich besitze den Bildband Istanbul, das Vorwort hat Orhan Pamuk geschrieben.

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  2. Eine tolle Folge, die Mischung aus Foto und Fußball ist super. Grüße von einem Werder Fan!
    P.S.: Hoepker, Webb, Parr würde ich gerne hören. Leibowitz oder Vivian Maier, damit auch Frauen dabei sind, wären auch gut. Und gerne auch unbekanntere Fotografen oder Geheimtipps!

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  3. Hallo Florian & Thomas, ich finde das toll, daß ihr zusammen gefunden habt. Ich höre die Fotobuch Ecke schon lange und freue mich jetzt umso mehr, daß es dieses neue Format gibt. Ich bin echt neugierig, was ihr als Nächstes besprecht. Sehr interessant, daß wir als Hörer schon wissen, was vorgestellt wird und wir aber mitbekommen, wie ihr überrascht seid. In diesem Sinne also Daumen hoch für euere Plauderecke. Herbstliche Grüße aus Regensburg, Hans

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    • Hallo Hans, ganz vielen Dank. Das ist ein sehr schönes Feedback! Wir sind beide schon gespannt, welche Bildbände wir gegenseitig vorgestellt bekommen. Ich kann schon mal so viel verraten, dass ich mich schon entschieden habe, welches Buch ich Thomas beim nächsten Mal vorstellen werde 😉 Viele Grüße, Florian

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    • Das freut uns und gibt uns Antrieb, Jörn. Danke! Wir sind bereits in der Vorbereitung, den kommenden Bildband habe ich bereits ausgesucht und bereite es vor. Wir wollen etwa einmal im Monat senden, um etwas Geduld müssen wir Dich also noch bitten. Viele Grüße, Florian

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      • Wie Florian schon schreibt, planen wir die Plauder-Ecke monatlich! Dazu wird es auch immer wieder „klassische Folgen“ und Blogbeiträge geben. Es ist also wieder mehr Leben in der Fotobuch-Ecke zu erwarten.
        In der Zwischenzeit kann man auch die „alten“ Folgen hören 😉

        Gruß Thomas

  4. Hi Florian, ich habe den Podcast von Michel Birnbacher mit dir gehört und habe dann gesehen, dass du ja selbst aktiv bist und gleich bei euch zugehört. Kommt künftig auf meine Aboliste und freue mich jetzt schon auf die nächste Folge! Und: toller Blog, kannte ich noch nicht. Grüße aus der Schweiz von Berni

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