Namaste Sivakasi! Das erste Hallo nach der Corona Krise

Viereinhalb Jahre ist es her, dass ich in Sivakasi war. Seitdem hat die Corona Krise vieles verändert, auch hier im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Strenge Ausgangssperren waren an der Tagesordnung, die vielen Feuerwerksfabriken mussten ebenso schließen wie die zahlreichen Druckereien und Streichholzproduktionen. Betroffen von Schließungen waren auch die Schulen und im Besonderen auch unser Kinderheim KIDZ Shelter. Die etwa 25 Mädchen mussten zurück in ihre Familien und im Home Office dem Schulbetrieb folgen. Dank unserer Heimmutter Nisha und ihrem Team konnten die Kinder auch in dieser schwierigen Zeit durchgehend versorgt werden. Was jedoch undenkbar gewesen wäre, ist ein Besuch aus Deutschland.

Im Februar 2023 ist es nun endlich soweit. Nach unserem Besuch in der Kinderklinik in Mylaudy (Bericht hier) fahren mein indischer Kollege Baby und ich die etwa zwei Stunden lange Strecke von der Südküste ins Landesinnere. Dort liegt Sivakasi in einer Gegend, in der es staubtrocken ist und wo sich auch deswegen die Feuerwerksindustrie so prominent ansiedeln konnte, wie nirgendwo sonst auf der Welt (außer vielleicht in China, hier es gibt eine zweite Welthauptstadt dieser Industrie. Und auch das chinesische Liuyang ist immer wieder in den Schlagzeilen aufgrund zahlreicher Unfälle und auch aufgrund von Kinderarbeit).

Das ganz normale Leben in Sivakasi

Mit mittlerweile 234.000 Einwohnern ist Sivakasi für indische Verhältnisse eine nicht allzu große Stadt. Von Touristen wird sie nicht besucht, denn außer dem großen Tempel gibt es keine Sehenswürdigkeit. Meine persönliche Hauptattraktion sind die Bewohner von Sivakasi. Überall kann ich einen kurzen Schnack halten, viele Menschen winken und grüßen und wirklich alle beobachten mich auf Schritt und Tritt, denn schließlich bin ich das einzige westliche Gesicht in dieser Stadt. Nie fühle ich mich dabei unwohl, ich weiss, dass es einfach dieses großes Interesse an mir, diesem anders aussehenden Typen, ist. Umgekehrt kann ich mich an dieser Stadt und an den Menschen nicht satt sehen. Eigentlich geht es mir also genauso wie den Einwohnern, nur dass ich alleine bin und sie eben 234.000.

Unser Wiedersehen im Kinderheim

Highlight meines Südindienaufenthalts, wenn nicht sogar der ganzen Indienreise ist natürlich der Besuch in „meinem“ Kinderheim, im KIDZ Shelter. Wie es dazu kommt? Die Geschichte beginnt im Hamburger Stadtteil Hoheluft-West. Hier lebt das Rentnerpaar Hadmut und Rüdiger, die auf einer Indienreise vor vielen Jahren auf das schon damals existierende Kinderheim in Sivakasi aufmerksam geworden sind. Seit mehr als fünfzehn Jahren sind die beiden nun für das KIDZ Shelter verantwortlich. Das heißt, dass sie Spenden einsammeln, die Kontakte pflegen, dafür Sorge tragen, dass das Personal bestens ausgestattet ist und dass die Vorraussetzungen gegeben sind, dass unsere indischen Kolleg:innen die Einrichtung bestens führen können. Hadmut und Rüdiger habe ich vor einigen Jahren kennengelernt, wir haben uns „beschnuppert“ und beschlossen, dass wir uns fortan zu Dritt um Sivakasi kümmern. Die Beiden waren im Februar 2020, also ganz kurz vor dem Pandemiebeginn zuletzt vor Ort.

Nun also ist es der erste Besuch nach der Corona Krise. Seitdem wurde das Dach renoviert und inzwischen gibt es auch richtige Betten für die Kinder, wovon ich auf meinem ersten Rundgang mit Heimleiterin Nisha Notiz nehme. Während die Mädchen noch in der Schule sind, zeigt sie mir den neuesten Stand der einfachen Ausstattung. Küche, Klassenzimmer, Schlafbereich, Dachterrasse und Waschbereich. Alles strahlt eine angenehme Ruhe aus, die Atmosphäre ist beinahe schon meditativ. Nisha und ihr Team haben eine Umgebung geschaffen, in der die Kinder ohne Sorgen lernen und spielen können. Viele Mädchen sind im Heim, weil die Eltern es nicht mehr schaffen, sich um sie zu kümmern. Ohne das KIDZ Shelter würden viele von ihnen vermutlich verbotenerweise in der Feuerwerksindustrie arbeiten müssen.

Bevor die Kinder von der Schule zurück kommen, habe ich die Gelegenheit mit drei Mädchen sprechen zu können, die vor zwei Jahren das KIDZ Shelter verlassen haben, weil sie ihren Schulabschluss erfolgreich absolviert haben. Zwei von Ihnen studieren inzwischen, ein Mädchen ist in der Ausbildung. Alle Drei bekommen glänzende Augen, wenn sie von ihrer Zeit im Heim erzählen und davon berichten, dass sie ohne diese Möglichkeit wohl nicht ihre zukunftsweisenden Wege hätten einschlagen können. Genau das sind die Augenblicke, die mich ganz besonders bewegen. Weil ich damit einen großen Dank an all unsere Spender weitergeben kann. Und weil ich damit auch weiss, dass sich unsere Arbeit lohnt.

Drei "Absolventen" in der Ausbildung, im Studium.
Drei „Absolventen“ in der Ausbildung, im Studium.

Natürlich kommt auch der Spaß nicht zu kurz. Als die Mädchen am späten Nachmittag eintreffen ist das Hallo natürlich groß. Wir reden, wir diskutieren, wir spielen. Tanzeinlagen zu indischer Popmusik sind ebenso an der Tagesordnung wie das in Europa bei Kindern so beliebte „Fadenspiel“. War ich bei meinem letzten Besuch noch ziemlich unvorbereitet, wie ich so viele Mädchen alleine auf einmal unterhalten soll (hier nachzulesen), bin ich dieses Mal nämlich vorbereitet. Ich habe „Abheben“ im Gepäck, dieses Spiel bei man mit den Fingern aus einem Faden verschiedene Muster webt, die man sich zu zweit jeweils abhebt und weiter spinnt. Auf meinem Flug nach Indien habe ich mit YouTube Tutorials mein Wissen von damals wieder aufgefrischt. Ihr hättet meine Sitznachbarn sehen sollen. Diese Blicke auf diesen Typen im mittleren Alter, der mit einem Faden in den Händen stundenlang seltsame Formen anfertigt. Ich sage Euch, es hat sich wirklich gelohnt.

„Abheben“ ist der Volltreffer und ich komme gar nicht nach, jeden Fortschritt der Kinder zu würdigen. Eine kleine Unendlichkeit knoten wir, heben ab, knoten wir, heben wieder ab. Und so weiter und so weiter … Irgendwann ist es dunkel geworden und so ist mein Besuch im KIDZ Shelter bald wieder zu Ende. Schon jetzt ist die Wiedersehensfreude groß, sofern keine Pandemie mehr in die Quere kommt, sehen wir uns sicherlich schon viel eher wieder!

Nisha und das Team treffe ich am Folgetag noch einmal für einige organisatorische Fragen und natürlich ist mir auch wichtig, dass ihr es gut geht. Wir vereinbaren außerplanmäßige Unterstützungen für neue Unterwäsche und Sandalen für die Kinder. Außerdem kann Nisha mit den Spendengeldern einen zweitägigen Ausflug an die Südspitze von Indien, ans Kap Komorin, organisieren. Zwei Nähmaschinen runden den zusätzlichen Support ab. So kann nicht nur die Kleidung effektiver ausgebessert werden, Nisha wird den Kindern mit Nähkursen auch den Umgang mit der Maschine beibringen können.

Damit geht mein Besuch in Sivakasi zu Ende. Ein letztes Mal verabschiede ich mich und freue mich über die tolle Arbeit, die Nisha und ihr Team für ihre Kinder leisten. Nach drei Tagen in Sivakasi fahren wir schließlich in nördlicher Richtung weiter …

Dankeschön!

Mit diesem Bericht über meinen Besuch im KIDZ Shelter in Sivakasi möchte ich „Dankeschön“ sagen. All unseren Spendern, ob es größere oder auch nur kleine Beträge sind. Und allen Bloglesern, die hin und wieder über einen der Affiliate Links einkaufen und damit auch einen Beitrag für das KIDZ Shelter leisten. Und im Besondern möchte ich mich auch bei der Beiersdorf AG bedanken, die unser Projekt in ihr Förderprogramm „Care Beyond Skin“ aufgenommen hat und erst zuletzt an Weihnachten das KIDZ Shelter mit einer Großspende ausgestattet hat. Ohne all diese Hilfen wäre dieses Kinderheim in Sivakasi nicht möglich. Das Lachen der Kinder, die Berichte der Mädchen, die nun in der Ausbildung sind und studieren – das ist das größte Dankeschön, dass ich an alle Spender weitergeben möchte!

Dieser Bericht ist in einer erweiterten Version für unsere Spender:innen erschienen. Das könnt Ihr hier nachlesen (PDF).

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