Unser Thema ist – passend zu Thomas‘ Kanada Reise – „Nordamerika“. Eine Steilvorlage für mich, um Euch in unserer 22. Podcastfolge den Bildband American Prospects vorzustellen. Dieses Meisterwerk erschien erstmalig im Jahr 1987 und gilt als Meilenstein in der Farbfotografie, denn kaum ein Fotobuch hat den Blick auf Amerika so nachhaltig geprägt wie dieser Bildband. Ab 1978 bereiste der US-amerikanische Fotograf Joel Sternfeld mit seiner Großformatkamera das Land, fuhr in einem umgebauten VW-Camper von Küste zu Küste. Immer auf der Suche nach Bildern, die Menschen und/oder menschliche Spuren in der Landschaft zeigen. American Prospects ist ein stilles, zugleich überwältigendes Porträt der Vereinigten Staaten zur Zeit des späten Kalten Kriegs. Es ist ein Buch, das das Versprechen des „American Dream“ hinterfragt, mit einer ganz eigenen Sanftheit und Ironie.
Über Joel Sternfeld
Joel Sternfeld, geboren 1944 in New York, studierte Kunstgeschichte, seine fotografische Laufbahn begann in den 1970er-Jahren. Sternfeld war eigentlich ein Kleinbild Fotograf, der sich mit seiner Leica eher Street Fotografie verschrien hatte. Als er zwei Guggenheim Stipendien bekommt, investiert er diese in eine 8×10 Großformatausrüstung und in einen VW Camper, mit dem er durch die USA reist, um so etwas wie Landschaftsfotografie zu betreiben. In einer Zeit, in der sich das Land in einer schweren Krise befindet.
Wie schon angedeutet, gilt er als einer der Pioniere der Farbfotografie, einer Bewegung, die sich bewusst von der bis dahin als „ernsthaft“ geltenden Schwarzweißfotografie abgrenzte. Wie auch Fred Herzog, William Eggleston oder Stephen Shore wollte Sternfeld mit Farbe erzählen. Er verband seine visuelle Sprache mit einem politischen Bewusstsein.
Sternfeld und die Farbfotografie
Auffällig dabei ist Sternfelds Farbpalette: Weiche Pastelltöne, zarte Lichtsituationen, kaum harte Kontraste. Diese Zurückhaltung schafft eine poetische Grundstimmung, die den Betrachter nicht anschreit, sondern einlädt – zum Verweilen, zum Entdecken. Sternfeld beschäftigte sich nämlich ausführlich mit Farbtheorien aus der Kunst und der Architektur und „verarbeitet“ diese Erkenntnisse in seinem Amerika, das weder verteufelt noch glorifiziert wird, sondern mit all seinen Widersprüchen ernst genommen werden will. Die Vorstädte, Highways, Einkaufszentren und Brachflächen, die Sternfeld zeigt, erzählen Geschichten von Konsum, Einsamkeit, Wandel und Sehnsucht.
American Prospects: Von Auflage zu Auflage unterschiedlich
Wandel ist das Stichwort, denn extrem spannend finde ich, dass American Prospects mit jeder Auflage etwas verändert wurde. Die erste Auflage von 1987 hatte noch 55 Fotos, die aktuellste, im Herbst 2025 erscheinende Version (Non Plus Ultra Edition) nun schon 84 Fotos. Dabei sind mit jeder neuen Auflage nicht nur neue Bilder hinzugekommen, sondern es wurden auch Aufnahmen ausgetauscht. Tatsächlich wurden auch die Cover verändert und sogar das Format des Buches wurde immer wieder angepasst. Ich habe einmal die Veränderungen zusammen gestellt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Ausgabe | Jahr | Verlag & Format | Seiten & Bilder | Cover |
---|---|---|---|---|
1. Original – 1st Edition | 1987 | Times Books / MFA Houston, 31 × 26 cm | 128 / 55 | „Kürbismarkt & Feuer“ |
2. Chronicle Books – 2nd Edition | 1994 (Reprint 2004) | Chronicle Books | 128 / 55 | „Kürbismarkt & Feuer“ |
3. Steidl / D.A.P. – 4th Revised Edition | 2012 | Steidl / D.A.P., 39 × 30 cm | 134 / 56 | „Freibad“ |
4. Steidl – Revised Edition | 2019 | Steidl, 38 × 30 cm | 152 / 71 | „After a Flash Flood“ |
5. Steidl – Compact Edition | 2023 | Steidl, 30x25cm | 108 / 52 | „Frost“ |
6. Non Plus Ultra Edition (geplant) | Herbst 2025 | Steidl, 42x35cm | 176 / 84 | ohne Bild |
Ich bespreche in der Podcastfolge die dritte Auflage von 2012, die gemeinhin als „4th revised Edition“ bezeichnet wird (Die Zählung „4th“ bezieht sich dabei nicht nur auf Neuauflagen, sondern mutmaßlich auf jede Druck- oder Layoutüberarbeitung, auch kleinere. 2004 gab es noch einen D.A.P. Hardcover / Reprint der zweiten Auflage). In meiner Auswahl entscheide ich mich hauptsächlich für die „klassischen“ Aufnahmen, die von American Prospects bekannt sind.









Es ist klar zu sehen: American Prospects steht in der Tradition der amerikanischen Dokumentarfotografie, wie sie etwa Walker Evans oder Robert Frank begründet haben. Aber Sternfeld bringt in diese Art der Fotografie eine neue Nuance hinein; nämlich eine leise Ironie, einen melancholischen Humor. Er urteilt dabei nicht, sondern beobachtet mit klarem und humorvollem Blick. Diese kritisch-ironische Haltung macht seine Arbeit bis heute so relevant, gerade in einer Zeit, in der gesellschaftliche Spaltungen und politische Polarisierungen erneut die Schlagzeilen beherrschen.
Links zur Folge
- „American Prospects“ auf der Website von Joel Sternfeld
- „American Prospects“ von Joel Sternfeld in der aktuellsten „Non Plus Ultra Version“ bei Amazon, für 150 Euro (Vorbestellung, erscheint im Herbst 25, Affiliate)
- Hier könnt Ihr den Bildband in der 1987er Version durchblättern
- Tatiana Hopper über Joel Sternfeld (Walking the Highline)
- Und auch mein Blog Buddy Peter Poete hat schon über American Prospects geschrieben 🙂
Weitere Themen aus der Folge
Folgende weitere Zusatzthemen haben wir in der Sendung angesprochen:
- Thomas‘ Wahl in dieser Podcast Folge zum Thema „Nordamerika“ ist Dana Claxton von der Fotografin Dana Claxton (Affiliate)
- Meet & Street in Dresden (Seite der Veranstalter)
- Podcast Interview bei Unposed zum Meet & Street
- Mein Blogbericht zum Meet & Street
- „Pride“ von Martin Parr, vor drei Wochen erschienen
- Das Fotobuch Altona 93 Analog in meinem Shop und hier die Blogankündigung dazu
Den Podcast und die anderen Folgen der Fotobuch Plauder Ecke findest Du bei Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, Deezer und allen gängigen Plattformen. Und zusätzlich bei YouTube als Video Podcast. Damit Du keine Folge verpasst, lass gerne ein Abo auf der Plattform Deines Vertrauens da!
Hi Florian,
und schon wieder… 😉 Wobei ich „nur“ die Steidl-Ausgabe von 2023 im Bücherregal stehen und auch schon vorgestellt habe. Ist auch gut, klar, aber zum Beispiel auch deutlich kleiner im Format. Die Sternfeld-Bilder wirken natürlich besser, je größer sie sind. Würde mal gerne eine Ausstellung sehen…
Lg Peter
Oh Peter, shame on me. Dieses Mal hatte ich nicht in Erinnerung, dass Du auch schon über American Prospects geschrieben hattest. Aber ich füge den Link direkt ein, bin gerade über Deinen Artikel, wie immer auch dieser, sehr lohnenswert!
Kleiner Spoiler: Ich habe mich schon für das Buch für die kommende Ausgabe entschieden, das hast Du nicht besprochen auf Deinem Blog 🙂
Liebe Grüße, Florian
Aiaiai… das steigt natürlich die Neugier und Vorfreude. Nicht, dass ich das möglicherweise nicht mal kenne oder im Bücherregal stehen habe…
Lg Peter
Neben den Stories und den Bildbänden: Ich finde ja super, wie ihr euch gegenseitig immer etwas foppt. 🙂 Weiter so
Hahaha, ja dieses Mal habe ich wirklich vorgelegt. Sorry, Thomas 😉
Und danke, Alexandra!