Harry Gruyaert – „Between Worlds“ (Fotobuch Plauder Ecke #24)

In unserer 24. Folge der Fotobuch Plauder Ecke nehme ich Euch mit nach Belgien – zu Harry Gruyaert, einem der großen Meister der Farbfotografie. Sein Bildband Between Worlds (Thames & Hudson, 2023) versammelt Arbeiten aus mehreren Jahrzehnten und führt einmal rund um den Globus – von Marokko über Indien bis in die USA. Doch trotz der Vielfalt der Orte bleibt eines konstant: Gruyaerts unverwechselbare Farbwelt und die Spiegel- und Glaswelten, die in allen Bildern dieses Buches vorhanden sind.

Harry Gruyaert wurde 1941 in Antwerpen geboren. Nach einem Studium an der École de Cinéma et de Télévision in Brüssel zog er nach Paris und arbeitete zunächst als Kameramann und für das Fernsehen. In den späten 1960er-Jahren entdeckte er die Farbfotografie für sich – zu einer Zeit, als sie in Europa in der künstlerischen Fotografie kaum akzeptiert war. Gruyaert ließ sich von der visuellen Kultur der Werbung, dem Kino und den kräftigen Farbtönen des Kodachrome inspirieren. In den 1970er-Jahren entstanden seine Serien in Irland und Marokko, die ihn international bekannt machten. Seit 1982 ist er Mitglied der Agentur Magnum Photos.

Besonders eindrucksvoll finde ich auch seine Arbeiten aus Indien, wo er über viele Jahre hinweg immer wieder fotografierte. In Städten wie Varanasi, Mumbai oder Jaipur fand Gruyaert eine visuelle Überfülle aus Licht, Schatten und Farbe, die perfekt zu seiner Bildsprache passte. Seine Indien-Fotografien verbinden die dichte Atmosphäre des Alltags mit einer fast malerischen Komposition – Szenen, die zugleich dokumentarisch und abstrakt wirken. Auch hier interessiert ihn weniger das Exotische als das Zusammenspiel von Menschen, Architektur und Licht. Wenn Ihr Stammleser:innen seid, dann erinnert Ihr Euch, dass ich vor einigen Jahren, vor meiner zweiten Reise nach Indien, auch über Gruyaerts Indien Buch geschrieben habe.

Im Podcast Gespräch mit Thomas Winter geht es um Gruyerts besondere Art, Farbe nicht als Mittel zur Dekoration, sondern als eigene Sprache zu verstehen. Wir sprechen darüber, wie er in alltäglichen Szenen Momente findet, die wie szenische Bühnenbilder wirken – oft gleichzeitig melancholisch und lebendig. Da wir das Thema „Benelux“ gewählt hatten, ist Thomas‘ Fotograf ebenfalls aus der Region, wenngleich sein (holländischer) Fotograf Anton Corbijn einen völlig anderen Stil auszeichnet.

Between Worlds ist nicht das neueste Werk von Harry Gruyaert, aber es ist ein schöner geografischer Querschnitt. Und es ist des Weiteren eine Art visuelles Tagebuch, in dem sich – typisch Gruyaert – Orte und Zeiten überlagern. Ein Buch, das die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Zufall und Komposition verschwimmen lässt. Auf wirklich jeder Aufnahme gibt es ein hier und dort, getrennt durch eine Scheibe, eine Spiegelung. Und in jedem Bild stelle ich mir erneut die Frage: Überwinden die Protagonist:innen diese Barriere oder ist sie sogar bereits überwunden?

Specs: 144 Seiten, 75 Aufnahmen, erschienen 2023 im Verlag Thames & Hudson, derzeitiger Neupreis etwa 40 Euro.

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Weitere Themen aus der Folge

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2 Gedanken zu „Harry Gruyaert – „Between Worlds“ (Fotobuch Plauder Ecke #24)“

  1. Hi Florian,

    kann ich – wie Du ja auch verlinkt hast – nur bestätigen. Ich habe mittlerweile tatsächlich vier Bücher von Gruyaert. Das hier vorgestellte Buch war auch mein erstes von ihm. Für mich war „Morocco“ noch sehr interessant, weil ich dort gearbeitet hatte. Und das neueste, „Homeland“, ist auch ein toller Überblick zu seinen Arbeiten (teils auch in SW) , die nur in seinem Heimatland entstanden sind…

    LG
    Peter

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    • Es ist schon erstaunlich wie oft wir dieselben Bücher besprechen 🙂 Das war bestimmt nicht das letzte Mal der Fall. Und ja, Homeland habe ich schon im Visier, das wollte ich eigentlich bei der im Podcast erwähnten Signierstunde von Harry Gruyaert in Istanbul direkt mitnehmen…
      LG Florian

      Antworten

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